Dienstag, Oktober 22, 2013

Das Individuum als Datenträger

Elevate - das Festival für Musik, Kunst und politischen Diskurs startet am Mittwoch in Graz.

Die brennenden Fragen unserer Zeit werden zwar auch am Elevate-Festival von der IT-Seite her betrachtet. Nicht nur, weil im Netzwerk Mutter Erde auch der gemeine Einkäufer und Patient per Kunden- und E-Card selbst zum Datenträger geworden ist, sind die daraus entstandenen Themenbereiche aber längst von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Schließlich gibt es heute auch für Aussteiger oder, sagen wir, Senioren ohne Smartphone und Heim-PC kein Entkommen mehr. Eingedenk der im Grenzland zu Überwachung und Verfolgung angesiedelten Problemfelder, die den großen Bruder nach George Orwell und ähnliche literarische Szenerien nicht länger als Zukunftsvision für die dem Untergang geweihte Nachkommenschaft erscheinen lassen, ist Paranoia allerdings auch kein Ausweg. Das Elevate begegnet dem täglich breiter werdenden Themenkosmos mit klarem Blick und analytischem Zugang.

Nachdem das Vorjahresmotto „Elevate The Apocalpyse?“ über den letztlich ausgebliebenen Weltuntergang die Möglichkeit dazu ließ, stehen heuer Aspekte der Transparenzgesellschaft und dabei etwa auch Facetten der „Open“-Bewegung auf der Agenda. Unter der Überschrift „Elevate Open Everything?“ wird die Ausdehnung des Software-basierten Open-Source-Gedankens auf die Wissenschaft (niederschwellige „Open Science“ zugunsten von Forschung und Gesellschaft) oder mit angedachten Creative-Commons-Lizenzen für Saatgut auch auf die Landwirtschaft diskutiert – womit beispielsweise der Abschied von hierarchisch geprägter Konzern-Philosophie hin zur demokratisierten Nutzbarkeit zwischen Mehrweg und Mehrwert eingeläutet wäre. 

Diskurs und Tanz 

Weil Entwicklungen rund um die Neuen Technologien schwer vorhersehbar sind, zwingt sich das Elevate dabei nicht, Antworten zu liefern. Nach der Eröffnungsrede, die der auf Computersicherheit gebuchte Netzaktivist Jacob Appelbaum halten wird, werden vor allem die richtigen Fragen gestellt. Zentral etwa jene nach dem systemimmanenten Zwiespalt, durch erhöhte Sichtbarkeit die Kritik an Autoritäten zu befördern, dafür aber die jederzeitige Überwachbarkeit des Users in Kauf zu nehmen.

Zu Vorträgen und Diskussionen kommen am Elevate kritische Dokumentarfilme und Workshops. Sein Ende findet der Diskursteil am Sonntag, wenn mit den Elevate Awards „Menschen, Initiativen und Projekte, die sich positiv, nachhaltig und innovativ für die Gesellschaft engagieren“ ausgezeichnet werden.

Die Musikschiene hingegen bringt die tanzbaren Ambient-Sounds von Jon Hopkins ebenso nach Graz wie eine Leistungsschau des New Yorker Labels L.I.E.S. Records, den House-Veteranen Lil Louis oder den Wiener Produzenten Dorian Concept, der den Freitag im Dom im Berg kuratiert. Weil es aber auch auf dem Dancefloor reflektiert zugehen darf, bietet „hoergeRede – Festival für Text, Ton und Diskurs“ als Veranstaltung innerhalb der Veranstaltung etwa auch ein Aufeinandertreffen von Electric Indigo an den Turntables mit der Schriftstellerin Olga Flor. 

Von 23. bis 27. Oktober in Graz: www.elevate.at

(Wiener Zeitung, 23.10.2013)

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