Freitag, November 08, 2013

Indie als Weg

Die US-amerikanische Alternative-Institution Yo La Tengo bespielte das Wiener WUK 

Für die Neigungsgruppe im Saal dürfte eines dann doch irritierend sein: die halbstündige Umbaupause, die Yo La Tengo nach knapp 45 Spielminuten einlegen nämlich. Immerhin haben wir uns weder am Jazz Fest noch im Konzerthaus, sondern anlässlich der Wiederbegegnung mit einer US-Indie-Institution im Wiener WUK eingefunden.

Und auch der Grund der Unterbrechung ist ungewohnt, trennt diese doch die erinnerte Kernkompetenz in Sachen Krawallrock des – pardon! – eigentlichen Konzerts von einem Vorspiel auf halbakustischer Basis. Zwar mögen Yo La Tengo in ihrer dreizehn Alben, 29 Dienstjahre und mindestens ebenso viele stilistische Nuancen umfassenden Karriere schon immer auch in Richtung Dream-Pop mit Hang zur Atmosphäre gedriftet oder mitunter Folkanklängen verschrieben gewesen sein. So zurückgenommen und auch für ihre Verhältnisse verhuscht wie heute allerdings erlebt man die Band dann doch nicht alle Tage. 

Kollektiv-Eskapismus 

Im Vordergrund stehen zunächst die Songs des aktuellen Albums „Fade“. Dieses darf als Alterswerk bezeichnet werden. Unter zeitweiliger Beigabe von (live außen vor bleibenden) Streichern, wie man sie auch bei Lambchop hören könnte, und mit der zurückgelehnten Erscheinung einer Band, die nichts mehr beweisen muss und stattdessen nur mehr wollen darf, wird dabei gerne auch die Gemeinschaft beschworen. Dass Georgia Hubley am Schlagzeug und Ira Kaplan an der Gitarre als verheiratetstes Kreativdoppel des US-Rock hier quasi auch ihr Ehegelöbnis erneuern: schön. Mit dem kollektiv-eskapistischen „Before We Run“ etwa stammt ein Konzerthöhepunkt aus dieser Ecke.

Neben Klassikern wie „Black Flowers“ oder dem „You Can Have It All“-Cover der Band als Soundtrack-Angebot für die Indie-Komödie unseres Vertrauens (Regie: Jason Reitman!) gibt es aber auch etwas auf die Ohren. Näher an den Kollegen von Pavement stehender Schrammelrock mit melodischem Mehrwert trifft auf weit ausladende Mantras, zu denen Kaplan die Gitarre würgt. Die Saiten wah-wahen, das Schlagzeug kawummst. Aus dem letzten Loch pfeift der Verstärker.

Fast so überraschend wie die Umbaupause ist an diesem Abend, dass die nostalgische Stimmung auf der nach oben offenen Paul-McCartney-Skala in den hochroten Bereich tendiert. Das Indie-Universum? Toll, aber auch nicht mehr, was es einmal war.

(Wiener Zeitung, 9./10.11.2013)

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