Donnerstag, November 14, 2013

Raunend ins Unglück

Devonté Hynes (Lightspeed Champion) und sein zweites Album als Blood Orange

- Auf dem Album „Cupid Deluxe“ schmust vor allem das Saxofon 

Im Alter von 27 Jahren kann Devonté Hynes nicht nur bereits auf eine gute Menge an Output zurückblicken. Er kann dabei vor allem behaupten, alles andere als ein One-Trick-Pony zu sein. Immerhin liegen die Wurzeln des in Großbritannien aufgewachsenen, als Hipster nun aber standesgemäß von New York aus operierenden Tausendsassas im ADHS-Rock seiner Ex-Band Test Icicles, nach deren Auflösung er als Lightspeed Champion zwei erstaunliche Alben mit kammermusikalisch umrahmter Singer-Songwriter-Ware und erheblichem Folkbezug aufnahm. 

Fingerspitzengefühl 

Später wurde mit Beiträgen für Sky Ferreira und zumindest geplantermaßen auch für das demnächst erscheinende achte Studioalbum von Britney Spears – keiner der entsprechenden Songs schaffte es letztlich aber auf  die finalisierte Tracklist – in Richtung Mainstream vorgestoßen. Zwar geht sich das mit der Miete für Hynes mittlerweile selbst im notorisch überteuerten Big Apple ohne Probleme aus (yay!). Gerade für einen jungen Menschen empfiehlt es sich aber, die sogenannten Working Skills selbst für die private Pensionsvorsorge zu instrumentalisieren (hrmpf!). Ach ja, ein prekäres zweites, dafür in Sachen künstlerische Kredibilität wesentlich unzweifelhafteres Standbein hat der Mann auch noch vorzuweisen. Hynes ist bereits mit eigenen Comicbänden sowie als Autor von Kurzgeschichten hervorgetreten.

Unter seinem Alias Blood Orange griff Hynes mit einem ersten Album („Coastal Grooves“) vor zwei Jahren noch auf Indie-Pop, Post-Punk-Bezüge und die Twang-Gitarren eines Chris Isaak zurück. Seine enorme Wandlungsfähigkeit und das entsprechende künstlerische und handwerkliche Fingerspitzengefühl als Produzent wird mit der nun vorliegenden Themenarbeit „Cupid Deluxe“ einmal mehr offensichtlich. Hier wird gut fünfzig Minuten lang und unter Beteiligung zahlreicher Gaststimmen wie etwa David Longstreth von den Dirty Projectors oder Samantha Urbani von den gleichfalls hipsterigen Friends ein ästhetisch nicht unschwieriges Feld mit großer Konsequenz beackert. 

Stimmig klebrig 

Gleich die Sounds des Eröffnungsstücks „Chamakay“ künden von subtropischer Schwüle, privilegiertem Erste-Welt-Herzeleid und wiederaufkeimenden Sehnsüchten unter dem Schulterpolster. Unter Beigabe käsiger Keyboardteppiche und angestaubter Tom-Tom-Sounds, deren Alterungs-Verhalten den japanischen Elektronikkonzernen im Jahre 1982 herzlich egal sein konnte, hat man zunächst zwar Widerstände und Vorurteile zu überwinden  – so man kein alter Dogmatiker ist und nach einer Minute ohnehin wieder abdreht. Im Weiteren nämlich erweist sich die Könnerschaft Hynesʼ mit gleichermaßen stimmigen wie klebrigen Atmosphären auf Basis vokaler Mann-Frau-Interaktionen als durchwegs reizvoll. Mit der kurz angeschlagenen Gitarre aus der Schule von The Police, Spoken-Word-Zwischenspielen sowie geschult gespieltem und bevorzugt angefunktem Bass oder smoothen bis schmusenden Saxofonen sind die Ergebnisse dabei als ebenso homogen wie keinesfalls eintönig zu bezeichnen.

Zur inhaltlichen Leitmotivik und nicht nur bei mit Nachdruck geraunten Textzeilen wie „Come into my bedroom“ wacht Prince als Gottvater aller spitzen Lumpis mit steil nach oben gezogener Augenbraue über seinen Adepten. Allerdings muss die Matratzen- und Bettlaken-zentrierte Kunst des Inspirators hier meist ohne Happy Ending verbleiben. Hynes bevorzugt ersehnte Intimitäten, die niemals stattfinden, gebrochene Herzen und so auch immer das wunschlose Unglück: „Iʼm nothing without subtle heartache at its best“.

Blood Orange: Cupid Deluxe (Domino Records)

(Wiener Zeitung, 15.11.2013)

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