Dienstag, November 19, 2013

Schwingeling-da-ding

Album „Swings Both Ways“: Robbie Williams erneuert seinen Status als Swinger 

Die Sache war ebenso eindeutig wie nichtsdestotrotz ausgefuchst. Mit seinem Album „Swing When You’re Winning“ war Robbie Williams über eine Hommage an die zentralen US-Unterhaltungsmusiken der 1930er bis (frühen) 1960er Jahre  nicht nur ein Stil- und Imagewechsel gelungen. Mit dem dabei erfolgten Sprung vom Kinder- und Jugendzimmeridol aus dem Privatfernsehen hin ins Erwachsenenfach mit öffentlich-rechtlichem Mehrwert und einem schwarz-weiß erinnerten Bildungsauftrag in Sachen Musikgeschichte wurden im Jahr 2001 vor allem auch die Herzen der Mütter erobert. Neudefiniert als nostalgischer Familien-Act, gelang Williams damit der größte Verkaufserfolg seiner ohnehin auflagenstarken Karriere – und das, obwohl ihm nicht einmal die Frankie-Boy- und Rat-Pack-Referenzen des Albums zum damals noch ersehnten Durchbruch am amerikanischem Markt verhelfen konnten. 

In der Zwischenzeit kehrte Robbie Williams zum ihm eigenen Poprock zurück. In den USA hingegen wurde die gefeierte TV-Serie Mad Men um den Werbeguru Don Draper erfunden. Zeitlich zurückversetzt in die 1960er Jahre erinnerten sich die Menschen an randvolle Whiskeygläser bei der Dienstbesprechung zur Mittagszeit sowie an eine Gesellschaft ohne – bruhaha! – Nichtraucherbereich, Helmpflicht und Aids. Männer waren noch Männer, Frauen noch Frauen. Das Leben war ein von Robbie Williams geschätzter Herrenwitz mit schmutzigem Finale.

Nach dem parallel zur Serie verlaufenen Revival der Swing-Ära und der großstädtischen Wiedereinführung von Lindy-Hop-Abenden im Trendclub war schließlich auch für Williams die Zeit gekommen, die Zeit noch einmal zurückzudrehen. Für Fans und Beobachter überraschend, machte er zuerst allerdings im Jahr 2005 Station, um Guy Chambers, seinen zu Karrierebeginn zentralen, dann aber nicht weiterbeschäftigten Schreibpartner, wieder an Bord zu holen. Mit diesem am Regiepult wurde für den nun erschienenen Genre-Zweitling „Swings Both Ways“ zwar ästhetisch alles beim Alten gelassen. Der seinerzeitigen Interpretationszentrierung steht mit immerhin sechs neuen Songs heute aber auch Originalmaterial gegenüber. Neben mit Duettpartnern wie Lily Allen, Kelly Clarkson oder Olly Murs im Vintage-Style gegebenen Coverversionen setzt es etwa gar nicht einmal so swingendes Material wie den Auftaktsong „Shine My Shoes“ oder das von Williams mit schützender Hand an seine Tochter  adressierte „Go Gentle“ als Zugpferde für das Formatradio. 

Vor allem zwei Schlüsselsongs aber erklären auch hier, warum sich das mit dem US-Markt wieder nicht ausgehen wird: zu viel Ironie. Das als Nummer aus einem Bizarr-Musical hörbare und schon vom Titel her eindeutige „No One Likes A Fat Pop Star“ kündet ebenso davon wie das Titelstück, das den kanadischen Barockpop-Songwriter Rufus Wainwright im Dialog mit Williams auch eines feststellen lässt: „Face it, Robbie, you’re a little bit gay …“

Der große Rest wird mit eingestreuten „Schubidus“ und „Da-di-daps“ als große Schwingeling-da-ding-Party sicher nach Hause gespielt. Trichtertröten in Big-Band-Umrahmung. Angejazzte Kontrabässe mit Hotelbarklavier. Dazu eine Prise Frank Sinatra in bester Trink-ma-no-a-Flascherl-Stimmung beim Torkeltanz vor der Sperrstund und natürlich unverzichtbare Standards wie „Minnie The Moocher“, „Dream A Little Dream“ oder „I Wan'na Be Like You (The Monkey Song)“, die Nummer aus dem Dschungelbuch. 

Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft hat Robbie Williams damit erneut ausgesorgt, ehe ihn eine ausgedehnte Tournee am 28. April 2014 dennoch in die Wiener Stadthalle führen wird. Zum Vorverkaufsstart am 6. Dezember (und somit dem Nikolaustag) stellt sich jetzt nur mehr eine Frage: war unsere Mama heuer auch wirklich brav? 

Robbie Williams: Swings Both Ways (Universal)

(Wiener Zeitung, 20.11.2013)

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