Album „Swings
Both Ways“: Robbie Williams erneuert seinen Status als Swinger
Die
Sache war ebenso eindeutig wie nichtsdestotrotz ausgefuchst. Mit seinem Album
„Swing When You’re Winning“ war Robbie Williams über eine Hommage an die
zentralen US-Unterhaltungsmusiken der 1930er bis (frühen) 1960er Jahre nicht nur ein Stil- und Imagewechsel gelungen.
Mit dem dabei erfolgten Sprung vom Kinder- und Jugendzimmeridol aus dem
Privatfernsehen hin ins Erwachsenenfach mit öffentlich-rechtlichem Mehrwert und
einem schwarz-weiß erinnerten Bildungsauftrag in Sachen Musikgeschichte wurden im
Jahr 2001 vor allem auch die Herzen der Mütter erobert. Neudefiniert als
nostalgischer Familien-Act, gelang Williams damit der größte Verkaufserfolg
seiner ohnehin auflagenstarken Karriere – und das, obwohl ihm nicht einmal die Frankie-Boy-
und Rat-Pack-Referenzen des Albums zum damals noch ersehnten Durchbruch am
amerikanischem Markt verhelfen konnten.
In
der Zwischenzeit kehrte Robbie Williams zum ihm eigenen Poprock zurück. In den
USA hingegen wurde die gefeierte TV-Serie Mad Men um den Werbeguru Don Draper erfunden.
Zeitlich zurückversetzt in die 1960er Jahre erinnerten sich die Menschen an
randvolle Whiskeygläser bei der Dienstbesprechung zur Mittagszeit sowie an eine
Gesellschaft ohne – bruhaha! – Nichtraucherbereich, Helmpflicht und Aids. Männer
waren noch Männer, Frauen noch Frauen. Das Leben war ein von Robbie Williams
geschätzter Herrenwitz mit schmutzigem Finale.
Nach
dem parallel zur Serie verlaufenen Revival der Swing-Ära und der großstädtischen
Wiedereinführung von Lindy-Hop-Abenden im Trendclub war schließlich auch für Williams
die Zeit gekommen, die Zeit noch einmal zurückzudrehen. Für Fans und Beobachter
überraschend, machte er zuerst allerdings im Jahr 2005 Station, um Guy Chambers,
seinen zu Karrierebeginn zentralen, dann aber nicht weiterbeschäftigten Schreibpartner,
wieder an Bord zu holen. Mit diesem am Regiepult wurde für den nun erschienenen
Genre-Zweitling „Swings Both Ways“ zwar ästhetisch alles beim Alten gelassen.
Der seinerzeitigen Interpretationszentrierung steht mit immerhin sechs neuen
Songs heute aber auch Originalmaterial gegenüber. Neben mit Duettpartnern wie
Lily Allen, Kelly Clarkson oder Olly Murs im Vintage-Style gegebenen
Coverversionen setzt es etwa gar nicht einmal so swingendes Material wie den
Auftaktsong „Shine My Shoes“ oder das von Williams mit schützender Hand an
seine Tochter adressierte „Go Gentle“
als Zugpferde für das Formatradio.
Vor
allem zwei Schlüsselsongs aber erklären auch hier, warum sich das mit dem
US-Markt wieder nicht ausgehen wird: zu viel Ironie. Das als Nummer aus einem
Bizarr-Musical hörbare und schon vom Titel her eindeutige „No One Likes A Fat
Pop Star“ kündet ebenso davon wie das Titelstück, das den kanadischen
Barockpop-Songwriter Rufus Wainwright im Dialog mit Williams auch eines
feststellen lässt: „Face it, Robbie, you’re a little bit gay …“
Der
große Rest wird mit eingestreuten „Schubidus“ und „Da-di-daps“ als große
Schwingeling-da-ding-Party sicher nach Hause gespielt. Trichtertröten in
Big-Band-Umrahmung. Angejazzte Kontrabässe mit Hotelbarklavier. Dazu eine Prise
Frank Sinatra in bester Trink-ma-no-a-Flascherl-Stimmung beim Torkeltanz vor
der Sperrstund und natürlich unverzichtbare Standards wie „Minnie The Moocher“,
„Dream A Little Dream“ oder „I Wan'na Be Like You (The Monkey Song)“, die
Nummer aus dem Dschungelbuch.
Pünktlich zum
Weihnachtsgeschäft hat Robbie Williams damit erneut ausgesorgt, ehe ihn eine
ausgedehnte Tournee am 28. April 2014 dennoch in die Wiener Stadthalle führen
wird. Zum Vorverkaufsstart am 6. Dezember (und somit dem Nikolaustag) stellt
sich jetzt nur mehr eine Frage: war unsere Mama heuer auch wirklich brav?
Robbie Williams: Swings Both Ways (Universal)
(Wiener Zeitung, 20.11.2013)
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