Donnerstag, November 21, 2013

Sie nennen ihn Giorgio

In den 70ern schrieb er Disco-Geschichte, nun gastiert Giorgio Moroder wieder in Wien.

- DJ-Set am Samstag im Rahmen des Electronic Beats Festival 

Ein Blick ins Archiv fördert vor allem Fotos von einem Mann mit nachtschwarzer Sonnenbrille und mächtigem Porno-Schnauzer zutage – sowie auch zweifelhafte Plattencover wie jenes der Gruppe Spinach, auf dem sich eine nackte Frau zu Füßen dieser Helden der Music drapiert. Das passt. Schließlich gehen auf Giorgio Moroder, den Wahl-Kalifornier aus Gröden und Disco-Innovator von seinerzeit, auch bereits einschlägig klingende Titel wie „I Wanna Funk With You Tonite“, „Too Hot To Touch“ und vor allem natürlich „Love To Love You Baby“ und „I Feel Love“, die Hits mit Donna Summer, zurück. 

Zweifelsohne wurden hier Ästhetik und Sound einer Ära prägend mitausgestaltet. Es war die Zeit des Disco-Genres und einer auch über den wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichten Lebensabschnittsphase zwischen Ausschweifung und Exzess. Eine von Moroder bevorzugt mitvertonte Grundkomponente im Sexuellen ließ dabei keine Zweifel, dass das alte Rom vom Münchner Stadtteil Bogenhausen aus wiederbelebt werden sollte.

Nach der anfänglichen Tingeltangel-Tour durch die Discos und frühen Arbeiten in Sachen Schlager begann Moroder unter eigenem Namen und Pseudonymen sowie als Mischpult-Regisseur für andere Künstler zu produzieren – zu Problemfällen wie Uschi Glas kamen im internationalen Pop mindestens extrem wichtige Namen wie David Bowie oder die Sparks. In Moroders eigenen und – den Tantiemen sei Dank – mühelos gegründeten Musicland Studios wiederum mieteten sich neben Udo Jürgens und Marius Müller-Westernhagen auch Led Zeppelin, Queen und die Rolling Stones ein. Iggy Pop etwa nahm hier Teile seines Schlüssel-Albums „The Idiot“ von 1977 auf.

Im Werk setzte der am 26. April 1940 ursprünglich als Hansjörg Moroder geborene Musiker vor allem mit der frühen Verwendung von Synthesizern für Akzente. Nicht von ungefähr ließen ihn die einst futuristischen Dancefloor-Roboter Daft Punk auf ihrer diesjährigen Genre-Hommage „Random Access Memories“ mit einem Stück namens „Giorgio By Moroder“ über seinen Karrierebeginn reflektieren. Zeitzeugenschaft, Helden-Verehrung. Wer hat’s erfunden? Immerhin ist Moroder, der es zugunsten von Frau und Kind spätestens ab den 90er Jahren ruhiger angehen ließ, dem heute jungen Trendclubbesucher nicht mehr zwingend bekannt. 

Kommerzpop 

Eine schicksalshafte Begegnung mit Donna Summer, die sich nach einer Tour mit dem Musical Hair für ein Leben in München entschieden hatte, meißelte sein Erbe schließlich in Stein. Das gestöhnt vorgetragene (und von der BBC umgehend boykottierte) „Love To Love You Baby“ ging aus der Zusammenarbeit ebenso hervor wie „I Feel Love“, das als repetitives Mantra zum Herzschlag des Genres wurde. Erstaunlicherweise lässt sich dieser Song auch heute noch gut an. Er steht damit im Gegensatz zum einen oder anderen Soundtrack Moroders, der dafür immerhin drei Oscars einheimsen konnte, und seinem zwischen mitunter schrecklichen Presets und Stromrockgitarre angesiedelten Kommerzpop der 80er Jahre. An „Reach Out“, seine Hymne für die Olympischen Spiele in Los Angeles 1984, will sich selbst YouTube nicht mehr erinnern.

Am morgigen Samstag wird Giorgio Moroder im Rahmen des Electronic Beats Festival (Beginn: 20 Uhr) im Wiener Museumsquartier gastieren. Sein DJ-Set gesellt sich zu Auftritten der entschieden (dienst-)jüngeren Kollegenschaft – neben Wolfram und When Saints Go Machine geben sich auch Laurel Halo und Metro Area die Ehre. Das Motto dafür stellte Moroder schon im Jahr 1977 bereit: „Let the music play!"

(Wiener Zeitung, 22.11.2013)

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