Dienstag, November 05, 2013

Verschwunden im Nebel

Bobby Krlic alias The Haxan Cloak brachte die Wiener Arena zum Beben 

Heute geht es um Angst und Pein und Not. Sorgen muss man sich zunächst aber um die kleine Halle der Wiener Arena, die hier doch reichlich erlebt und dabei zittert und bebt. Das scheppernde Wellblech erinnert an einen Zweier-Golf, in den die Dorfjugend zu große Boxen montiert hat. Zum dumpfen Donner der dichten Subbässe („Nts—nts“) mischt sich immer auch ein klirrendes „Kläng-kläng“ metallen ins Klangbild, das entsprechend nachdrücklich daherkommt.

Für den Konzertbesucher ist diese Musik eine körperliche Erfahrung. Sie richtet ihm die Frisur auf, massiert den Bauch und putzt ihm die Ohren. Wer diesen wunderbaren Wahnsinn verantwortet, wäre jetzt interessant. Leider aber wird man Bobby Krlic, der sich nicht nur hinter dem Projektnamen The Haxan Cloak versteckt, nicht zu Gesicht bekommen. Schließlich hat der Mann an der Uni wohl auch deshalb Visual-Art inskribiert, um seiner agonisch bis postmortal angelegten Kunst die optische Entsprechung zu verleihen. Dass es heute dennoch wenig zu sehen gibt liegt am Trockeneisnebel, der auch mangels Nackerter nicht an die herbale Wohlfühlatmosphäre einer Dampfkammer denken lässt und stattdessen ein ewiges Schattenreich als Moorgegend im Dunst definiert. 


Nach seinem organisch mit Endzeitstreichern angereicherten (titellosen) Debüt von 2011, der Vertonung eines Sterbens, bringt The Haxan Cloak sein meisterliches Diesjahreswerk „Excavation“ live adaptiert zu Gehör. Der Wechsel zum angesagten Label Tri Angle Records wird im nun durchwegs elektronischen Sound manifest, mit dem das Jenseits sein Konzeptalbum erhält. Brodelnde Bassdrones, weißes Rauschen, Sounds of Fear und sich in Zeitlupen-Ästhetik zum letzten Gang schleppende Beatreste bestimmen das Geschehen. Melodien hingegen gelten dem unsichtbaren Schöpfer als überschätzt – und sind, so doch vorhanden, kalt und elegisch. „The Mirror Reflecting (Part 2)“ ist als diesbezügliches Paradebeispiel auch live wirkungsmächtig.


Elektrisches Störgesurre, über den Boden wischende Loops und raumauslotender Hall, Hall, Hall: Schnell wird verständlich, warum das aktuelle Albumcover einen Strick ins schwarze Nichts baumeln lässt. Die Zeit nach dem Tod ist sehr lange. Irdisch banale, allerdings großartige 45 Konzertminuten sind nicht nur vor diesem Hintergrund viel zu wenig.

(Wiener Zeitung, 6.11.2013)

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