Dienstag, November 17, 2009

Grizzly Bear: Die Stoßseufzer ins Nichts

Montag, 16. November, 21 Uhr. Es herrscht Aufregung im Wiener WUK: Wann geht es los? Wann geht’s denn jetzt los? Kann ich noch eine Zigarette rauchen? Verdammt, Oida, ich muss noch aufs Klo!!

Spannung liegt in der Luft, und das zappelige Gerieren erprobter Konzertgänger unterstreicht es: Wir haben es heute mit einer neuen besten Band der Welt zu tun – und ich bin dabei! Grizzly wer? Grizzly Bär? Grizzly Bear, Oida, Brooklyn, New York!!

Das Quartett, dessen drittes Album "Veckatimest" heuer für gehöriges Rascheln im Blätterwald sorgte, setzt in seinem Schaffen auf eine üppige Mixtur aus verschachtelten Songs mit beigestelltem Elektro-Brutzeln und Orchesterarrangements, Folk und (Post-)Rock und bisweilen psychedelisch angehauchten Soundlandschaften. Wir hören klebrig-süße wie bevorzugt tagträumende Lieder, die so schön sind, dass es weh tut.

Alleinstellungsmerkmal: Hemmungslos angebrachte Chorknaben-Gesänge, die den Grundgedanken dieser Kunst mit Nachdruck unterstreichen – Klotzen statt kleckern. Verschütten, verschwenden. Geiz ist ungeil und Pop das neue Barock.

Im Rahmen eines mit 70 Minuten Spielzeit enttäuschend knapp bemessenen Konzertes, das auch unter dem Auftreten der Musiker als mit bestenfalls gekünstelter Emphase in ihre tod-todernste "Kopfmusik" verbissene, pardon, Schüchtis zu leiden hat, wird aber auch eines klar: Grizzly Bear sind derzeit als an ihrer Elaboriertheit feilende Jungforscher in der geschützten Laborsituation des Tonstudios besser aufgehoben als auf der Bühne.

Nicht, dass das Konzert ein Desaster wäre. Aber nach einem bemühten Beginn mit Songs wie "Southern Point", dem erhabenen "Cheerleader" oder "Fine For Now" samt angejazztem Beserlschlagzeug passiert bald nichts mehr. Nichts wie: Gähn! Spätestens nach "Two Weeks", dem Hit, der auch einem John Cale in seiner Phase um "Paris 1919" gut angestanden wäre, versandet das Konzert mit schnarchnasigen Versionen von "Colorado" oder "Foreground". Die Chöre bleiben Stoßseufzer ins Nichts. Prätentiös sind Grizzly Bear immer. Live sind sie komatös.
(Wiener Zeitung, 18.11.2009)

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