"Das Ende der Beschwerde": Der deutsche Autor
und Musiker PeterLicht veröffentlicht sein fünftes Album
Aktuell geht es darum, auch wieder einmal an das Gute zu
glauben. Während die Nachrichten nahelegen, dass der große Krach erst
bevorsteht, sagt die Frustrationstoleranz bereits heute: Es reicht! Der
Autopilot wird daher auf Zweckoptimismus gestellt. Auf Geheiß der Therapeutin
wandern die Mundwinkel energisch nach oben. Eventuell ist morgen auch noch ein
Tag – ganz bestimmt aber wird es ein besserer sein.
Der deutsche Autor und Songwriter PeterLicht hat sein neues
Album programmatisch betitelt: „Das Ende der Beschwerde“ bezeugt sein Bemühen, die
Hoffnung nicht aufzugeben. „Du blickst in die Herde und wartest auf das Ende
der Beschwerde und denkst dir: Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute
nicht wären!“ Schneller als man denkt sind die Verhältnisse ohnehin wieder zur
Stelle, um den Lauf der Dinge in gewohnte Bahnen zu lenken.
Der Künstler als
Mysterium
„Sag alles ab!“ würden Tocotronic entgegenhalten, wenn sich
Licht nun auf Peter Sloterdijk („Du musst dein Leben ändern“) bezieht. Wenn auf
seinem neuen Album auch Alltagsfluchten und Tagträume erklingen, ist der Kölner
doch der Liedermacher einer längst in der Wirklichkeit gestrandeten (Pop-)Welt.
Ältere Songs aus seiner Feder tragen Titel wie „Wir sind jung und machen uns
Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, während das aktuelle Werk
auch mit dem Wort „Altersvorsorgeaufwendung“ auffällig wird. Der Umstand
freilich, dass dem Mann schon immer der Schalk im Nacken saß, sorgt für einen
eigenen Kosmos zwischen gelebter Ernsthaftigkeit, ironischem Bruch und
ausdrücklichem Schabernack.
Bekannt geworden mit dem FM4-Hit „Sonnendeck“ noch unter
seinem Alias Meinrad Jungblut im Jahr 2001, war vor allem das Frühwerk des
Musikers reichlich vergnügt angelegt. Lo-Fi-Sounds aus dem Heimstudio und Texte
über die „lieben 68er“ („Danke für alles – ihr dürft jetzt gehen. Aber bitte
ruft uns nicht an!“) wichen auf Alben wie „Lieder vom Ende des Kapitalismus“
einem volleren Bandsound und nicht nur hinsichtlich zwischenmenschlicher
Problemzonen auch dem ernsteren Unterton. Neben eingängigen Hooklines kam der
Karriere auch Lichts Verwirrspiel zugute, sich selbst als Mysterium auszurufen.
Fakten zu seiner Biografie verschweigt der Musiker dabei ebenso konsequent, wie
er sich für die Öffentlichkeit nicht ablichten lässt. Siehe dazu seine Lesung
im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs 2007, bei der er sich nur von
hinten filmen ließ – und der später Publikums- und 3sat-Preis folgen sollten.
Gut
ausinstrumentierter Akademiker-Pop
Während Licht zuletzt vor allem für das Theater arbeitete,
ist auf seinem fünften Album musikalisch so weit alles beim Alten. Eingespielt
mit seinem Produzenten Jochen Naaf, hört man darauf vor allem gut ausinstrumentierten
Akademiker-Pop, dem die Neigungsgruppe Indie mit flirrender Unterhaltungselektronik
etwas vordergründiger zuspielt als zuletzt. Dazu legen es der nervös machende
Opener und der kammermusikalisch umrahmte Rausschmeißer atmosphärischer an,
während „Neue Idee“ als Lichts Paradeformel des klavierbetonten Uptempo-Songs eifrig
The Cure zitiert.
PeterLicht entflieht dem Establishment („Die Erfindung des
Systems ist die Erfindung der Flucht“), lässt sich im eskapistischen Dunkel der
Nacht wiederbeleben („Drum führ du mich in die Nacht / Führ mich raus / Gib mir
eine neue Idee / Schaffen wir uns ab“), er träumt sich hinfort („In unbekannten
Räumen / werden wir vom Unbekannten träumen / und du weißt wir sind frei“ ) und
strandet unter der großen Sonne, die beuteungsschwanger alles Geld verbrennt.
PeterLicht: Das Ende der Beschwerde (Motor Music /
Edel)
(Wiener Zeitung, 21.10.2011)

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