Dienstag, November 17, 2009

Niedere Instinkte

Die ostdeutsch-deutsche Brachialrock-Band Rammstein gastiert am Samstag in der Wiener Stadthalle

Wien. Aufgrund einer zuletzt vor allem auf versuchte Tabubrüche mit Liedern über sexuelle Gewalt, Inzest oder Kannibalismus fokussierten Diskussion über die Brachialrock-Band Rammstein sollte zur Erinnerung kurz noch einmal auf einen konkreten Sündenfall hingewiesen werden.

Wir haben es hier mit einer Band zu tun, die zur musikfernsehgerechten Illustration ihrer mit germanischer Gründlichkeit gewalzten Single "Stripped" 1998 auf Filmmaterial von Hitlers Haus- und Hofregisseuse Leni Riefenstahl zurückgriff. Stichwort: Olympische Sommerspiele, und: Seht, die deutschen Körper!

Um es auf den Punkt zu bringen: Die ostdeutsch-deutsche Band, die mit ihrem martialischen Gehabe sowie einem generell in Richtung strammer Marschierästhetik schielenden Auftreten den perfekten Soundtrack für deine liebste Wehrsport-, pardon, Paint-Ball-Übungstruppe lieferte, durfte hierzulande vor allem in der Region um Braunau über den begeisterten Zuspruch kruppstahlharter Jungmänner jubilieren.

Sänger Till Lindemann, der nicht nur grimmig gerollter "Rrrrrrrrrs" wegen so klingt, als hätte er eine Sprechblase aus der Feder von Walter Moers zu vertonen (Hörbeispiel eins: "Öch wöll!"), und seine Kollegen ruderten über den unambitionierten Beschwichtigungsversuch "Links 2-3-4" dann aber zurück – auch eingedenk einer abseits des Vaterlandes und vor allem in den USA kommerziell hervorragend ins Rollen geratenen Karriere. Es ging auf Alben wie "Mutter", "Reise Reise" oder "Rosenrot" um die bereits angesprochene Themenpalette und damit unter anderem auch um den Kannibalen von Rothenburg: "Heute treff ich einen Herrn/ Der hat mich zum Fressen gern/ Weiche Teile und auch harte/ Stehen auf der Speisekarte."

Zur Bewerbung ihres neuen und jüngst von der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzten Studioalbums "Liebe ist für alle da" setzen Rammstein nun auf Porno. Das Video zur Single "Pussy" ist demnach nicht nur im Musikfernsehen, sondern vor allem auf einschlägigen Hardcore-Seiten im World Wide Web zu sehen. Neben Sadomasosex und Vergewaltigung vergreift sich die Band aber auch am Fall F. – Arbeitsmotto: Verbinde das Ungustiöse mit dem Niveaulosen. "Komm mit mir/ Komm auf mein Schloss/ Da wartet Spaß/ Im Tiefgeschoß."

Dumpf und stumpf. Am Samstag gastiert die Band in der restlos ausverkauften Stadthalle: Öch! Wöll! Nöcht!
(Wiener Zeitung, 18.11.2009)

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