Der Live-Sektor boomt: Auch im kommenden Jahr gastieren große Namen und alte Helden in Wien
Wien. Während die Musikindustrie von einstigen Absatzzahlen aus dem Tonträgerverkauf nur noch träumen kann, erweist sich die auch daraus resultierende Hinwendung zum Live-Sektor als für alle Beteiligten lohnend: Industrie und Künstler behalten und erweitern eine solide Einnahmequelle, Fans bekommen ihre Helden öfter zu Gesicht, und auch die Wirtschaft schneidet kräftig mit.
Stichwort: Umwegrentabilität. Denn Großereignisse in der Stadthalle oder im Ernst-Happel-Stadion ziehen sowohl Gäste aus den Bundesländern als auch aus dem benachbarten Ausland an. Busunternehmen, Bundesbahnen oder die Hotellerie bedanken sich – und dank Bierpreisen von gut und gerne 3,80 Euro auch die Gastronomie vor Ort.
Dabei scheint auch die zunehmend unverschämte Preispolitik bei den Tickets nicht weiter ins Gewicht zu fallen. Die 55.000 Karten für das Konzert der australischen Hardrock-Veteranen AC/DC im Mai dieses Jahres waren trotz regulärer Vorverkaufspreise von 80 Euro aufwärts binnen Minuten ausverkauft. Auf dem Schwarzmarkt wurden Tickets um ein Vielfaches davon gehandelt – und dass sich auch eingedenk des Merchandising-Angebots im Stadion pro Besucher einiges zusammenläppert, sollte sich von selbst verstehen.
Während Österreich bis in die 90er Jahre als Spielort gerne vernachlässigt wurde, gilt heute zumindest Wien auf den Tourneeplänen der meisten "Acts" als Fixplatz. Das bedeutet auch hierzulande, dass der Musikkonsum vom wiederholbaren Ritual im stillen Kämmerchen hin zum einmaligen und im besten Falle unberechenbaren Ereignis mutiert. Es geht um das leidenschaftliche Feiern und Erleben eines flüchtigen Moments mit Gleichgesinnten. Und wer sich die Erinnerung daran nicht aus dem Gedächtnis oder mittels Live-DVDs und schlechter Bootlegs behalten will, dem spielen Unternehmen wie Live Here Now zu: Der britische Konzern zeichnet einen jeden Tour-Auftritt seiner Künstler auf, um den Fans für alle Zeiten ein Andenken an "ihr" Konzert zu bieten.
Auch 2010 kommen große Namen und alte Helden nach Österreich. Und wenn diese, wie im Fall von Michael Jackson, bereits tot sind, wird das Publikum anderweitig beglückt: So versteht sich "Thriller – live" (19. bis 31. Jänner, Wiener Stadthalle) als Musik- und Tanzshow, die nun im seligen Angedenken an den verstorbenen King Of Pop fortgeführt wird. Im selben Monat gastieren Ian Brown (21., Arena) oder etwa Amanda Palmer von den Dresden Dolls (31., Arena) in Wien.
Das FM4-Geburtstagsfest (23., ebenda) bringt neben alten Bekannten wie Die Sterne oder Bauchklang auch die wunderbaren Ezra Furman & The Harpoons, ehe die alten Schweden von Europe (31., Gasometer) schließlich an ihren Pudelfrisur-Hardrock erinnern: The Final Countdown! Hoffentlich.
Die Zuckerseiten deutscher Gitarrenmusik servieren Element Of Crime (9. Februar, Gasometer) und Tocotronic (29. März, Arena), die ihr im Februar erscheinendes Album live vorstellen werden: "Schall und Wahn" ist der Nachfolger zu "Kapitulation" aus 2007, mit dem die Band lustvolle (Selbst-)Aufgabe zuletzt als subversiven Akt deutete. Auch Adam Green (22. Februar, Arena) stellt sein neues Album "Minor Love" vor, die Hidden Cameras bringen ihren zuletzt erneuerten Sound auf die Bühne (11. April, WUK) und mit La Roux (8. März, Arena) präsentiert sich – nach Little Boots am Frequency-Festival 2009 – eine weitere Vertreterin des Synthie-Pop-Revivals.
Während der ausgelassene und von kastratischem Falsett-Gesang getragene Gute-Laune-Pop von Mika (29. März, Gasometer) das Mädchen in uns zum Hüpfen bringt, freut sich unser Saubartel-Ich auf erneute Gastspiele von Kiss (20. Mai, Stadthalle), AC/DC (22. Mai, Flugplatz Wels) oder den Thrash-Metal-Göttern Slayer (25. März, Gasometer). Eros Ramazzotti, Freund aller Blondinen und Pizzabäcker, (25. Februar, Stadthalle) und Whitney Houston (19. Mai, ebenda) schauen auch wieder vorbei, um sich in Bälde ein neues Kapitalsparbuch anlegen zu können. Etwas, das auch den alten Indie-Helden Pavement rund um den Sänger Stephen Malkmus (21. Mai, Arena) nach ihrer Tour zur Wiedervereinigung gelingen sollte.
Darüber lachen Bono Vox und seine Kollegen von U2 während eines ausgiebigen Bades im Geldspeicher. Ihr Konzert am 30. August im Ernst-Happel-Stadion ist mit sage und schreibe 70.000 Besuchern schon lange ausverkauft.
(Wiener Zeitung, 31.12.2009/1.1.2010)
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