Mittwoch, April 28, 2010

Eine neue Plattform für das Gute

Popfest Wien: Von 6. bis 9. Mai geben sich heimische Künstler am Wiener Karlsplatz die musikalische Ehre

Pop spielt in Österreich bezüglich seiner öffentlichen Wahrnehmung eine, vorsichtig ausgedrückt, untergeordnete Rolle. Abseits von Liebhaberkreisen wird er vor allem über Lady Gaga, James Blunt & Co und deren Vermittlung durch das Formatradio wahrgenommen. Punkt.

Dabei sollte eigentlich nicht mehr darauf hingewiesen werden müssen, dass sich auch hierzulande, wenn schon nicht unbedingt eine zusammengehörende Szene, so doch eine lose Ansammlung konzise schaffender Bands, Künstler und Künstlerinnen entwickelt hat.

Es gilt grundsätzlich festzuhalten: Die für das Fach entscheidenden Entwicklungen spielen sich in einem Umfeld ab, das man als "Underground" bezeichnen mag, jedenfalls aber abseits des Mainstreams zu suchen hat. Denn Hampelmann-Sendungen wie "Starmania" erwiesen sich wenig überraschend als ungeeignet, "junge Talente" hervorzubringen – sieht man von Christina Stürmer einmal ab, die kommerziell erfolgreich ein überwiegend präpubertäres Publikum bedienen darf und dafür 2006 mit dem deutschen Echo als "Künstlerin Rock/Pop national" (!) ausgezeichnet wurde. Und auch das staatliche Hitradio, das heimische "Pop-Acts" lange sträflichst vernachlässigte, scheiterte mit der Idee der kommerziell geprägten "Neuen Österreicher" und Vertretern wie Vera oder SheSays nicht nur an den beschränkten Möglichkeiten des Marktes.

Dabei haben sich die Verhältnisse in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gewaltig verschoben. Während Pop aus Österreich in den 1990er Jahren über den Downtempo-Boom mit Kruder & Dorfmeister erstmals seit Falco auch international wieder reüssieren konnte – und Remixes für Madonna oder Depeche Mode die Gagen der beiden Wiener gehörig in die Höhe trieben –, waren die Jahre danach vom Strukturwandel der Musikindustrie und Umsatzeinbrüchen bestimmt, die vor allem auch dem Independent-Bereich schwer zusetzten.

Dass sich aber parallel dazu bei hoher Qualitätsdichte eine bunte Mischung unterschiedlichster Bands entwickelte, kann wiederum über die finanziell freilich problematische Unab-hängigkeit von den Major-Labels gedeutet werden, denen früher nicht selten hinterhergehechelt wurde, auch wenn dies gar künstlerische Zugeständnisse implizierte. Heute ist eher das Gegenteil der Fall, und engagierte Kleinlabels wie etwa Fettkakao, Seayou oder Siluh (und ihre Künstler) folgen mit respektierter Nischenarbeit nicht nur im Zweifelsfall lieber einer kreativen Vision. Höchste Zeit also, das Geschehen zu würdigen und mit einem Fest zumindest Einblicke in das bunte Treiben zu geben.

Dass das nun also erstmals ausgetragene Popfest Wien klassisch österreichisch zunächst von der nicht ganz unpolitischen Frage bestimmt war, ob sich die mit 150.000 Euro zuschießende Stadt Wien angesichts der bevorstehenden Wahlen bei der Jugend beliebt machen wolle, tut dies mit knapp vierzig Konzerten, die binnen vier Tagen – vom 6. bis 9. Mai – am und um den Karlsplatz stattfinden.

Als Kurator hat man mit dem auch selbst musikalisch tätigen Journalisten Robert Rotifer (FM4, profil und viele mehr) einen profunden Kenner der Szene gefunden, der die Situation mit dem nötigen Abstand aus seiner britischen Wahlheimat richtig einzuschätzen vermag. Im Rahmenprogramm widmet sich das Popfest Wien mittels Diskussionsrunden, Workshops und Vorträgen dem theoretischen Unterbau und wichtigen Fragen etwa bezüglich Urheberrecht oder dem Wesen des Wiener Popgeschehens.

Währenddessen ist, vor dem Hintergrund des Donaufestivals, das die internationale Pop-Avantgarde jährlich nach Niederösterreich lockt, eine Nebendebatte aufs Neue entfacht: Nämlich jene, warum dies nicht auch der vermeintlichen Weltstadt Wien möglich sein sollte – um so etwa an Barcelona anzudocken, das mit dem Primavera- sowie dem Sonar-Festival glänzt und damit einen ergiebigen Tourismuszweig für sich erschließen konnte. Denn auf der Donauinsel steht bekanntlich nicht die Musik, sondern das Volksfest im Vordergrund.

Das Programm

Einen Anspruch auf Vollständigkeit stellt das heuer erstmals ausgetragene Popfest Wien freilich nicht, dafür ist die lose Szene auch bereits deutlich zu groß geworden. Fixe Größen wie Anja Plaschg, die als Soap & Skin für ihre unter die Haut gehende Liedkunst bereits mit Nico verglichen wurde, fehlt ebenso wie die Grantrock-Partie Kreisky oder der Extrem-Performer Didi Bruckmayr.

Einen guten Einblick gibt das Popfest Wien trotzdem. Die große und ästhetisch breit aufgestellte Singer/Songwriter-Fraktion präsentiert sich mit Clara Luzia (Do., 19 Uhr), der aus Salzburg stammenden Mel, Anna Kohlweis alias Paperbird (Do., 22 Uhr) oder Ernst Molden, während Tanz Baby! (Fr., 19 Uhr) als stadtbekannte Schwerenöter die Bontempi-Orgel zum Glühen bringen. Verschwitzten Elektro-Pop bieten Bunny Lake (Do., 20.30 Uhr). Der bereits international mit Aufmerksamkeit bedachte Dorian Concept (Fr., 19 Uhr) wiederum stellt seine mit MicroKorg und Laptop erarbeiteten Frickel-Studien vor. Und auch die auf den Spuren von Dinosaur Jr. wandelnden Stürmer und Dränger Killed By 9V Batteries sind mit dabei.

Am Freitag findet weiters ein Showcase des Affine-Labels statt – mit The Clonious, JSBL, Ogris Debris und Special Guest I-Wolf. Schon ab 12 Uhr sind Songwriter Frenk Label ("Play The Tracks Of") und Pieter Gebriel im project space. Den Samstag eröffnet Der Nino aus Wien feat. Skero, Laokoongruppe und Florian Horwath. Bei den Popfest-Sessions im project space sind Ernesty International (13.30 Uhr), Protestant Work Ethic (15.30 Uhr) sowie Mika Vember & Börn (17.30 Uhr). Am Sonntag gibt es die Fünfjahre-Siluh-Labelparty im TU-Hof (16 Uhr), Garish und Ernst Molden. Ab 22 Uhr dann das Trojanische Pferd und Songs Of Claire Madison im Wien Museum sowie der Abschluss mit Vortex Rex.

(Wiener Zeitung, 29.4.2010)

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