Was es über Kasabian aus Leicester, Großbritannien, zuallererst zu sagen gilt: Der queere Barde Patrick Wolf bezeichnete ihre Musik als "macho bullshit" und empfahl die Zwangskastration. "To give them a bit more grace."
Weil es dazu noch nicht gekommen ist, schlurft Sänger Tom Meighan in einer Art auf die Bühne, als wäre er gerade beim Casting für das Biopic "Liam Gallagher – ein Mann und seine Nase bekämpfen die Koksreserven". Mit dunkler, die Nachwehen des Rockstarlebens verschleiernder Sonnenbrille will am Open-Air-Areal der Arena demonstriert sein: Man hat "balls". Und man weiß es. Tom Meighan in einer kurzen, und, wie es sich für das Massenmedium Frontman gehört, einseitig geführten Konversation mit dem Publikum: "Vienna, what the fuck?!"
Mit betont breitbeinig und vorlaut in die Welt gesetzten Hadern, die musikalisch Unbescholtenen noch von Playstation-Spielen wie "Pro Evolution Soccer 5" oder "Gran Turismo 4" ein Begriff sein dürften, rocken Kasabian seit 2004 die Fankurve Ost. Stücke wie "Reason Is Treason" erfüllen vor allem den Zweck, britischen Ibiza-Urlaubern im Wayne-Rooney-Trikot etwas zum Grölen zu geben, wenn nach drei Kübeln Sangria noch schnell fünf Pints als Bettsteigerl hermüssen: Cheers, bastard!
Dafür begeht die Band Raubbau an gut 50 Jahren vorwiegend britischer Rockgeschichte, um die spärliche Ernte mit aufgepimpten Beats und zünftiger Böllerelektronik zu strecken. Die Doors stehen am Beginn von "Fire", das harmonische Erbe der Beatles durchzieht "Thick As Thieves", "Fast Fuse" könnte auch von Mando Diao stammen. Nach vergleichsweise handzahmen Songs wie "Where Did All The Love Go?" und "The Doberman" wird aber noch eine ganz andere Abzweigung genommen: Für "Stuntman" geht es über die Beigabe von lustigen Zuckerln rüber zur Full-Moon-Party an den Strand von Ko Phangan. Wer hätte das gedacht?
Nach 90 mitunter sehr, sehr langen Konzertminuten muss man Patrick Wolf also nicht unbedingt Recht geben. Aber man kann ihn verstehen.
(Wiener Zeitung, 10.8.2010)
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