Mittwoch, September 15, 2010

"Nichts verkauft sich mehr von selbst"

Am Donnerstag finden die Amadeus – Austrian Music Awards zum elften Mal statt. Universal-Chef Hannes Eder über den Amadeus und die Musikwirtschaft.

Herr Eder, die Amadeus Awards finden heuer bereits zum elften Mal statt. Wenn Sie zurückblicken: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?


Der Amadeus hat sich sehr gut entwickelt. Vor elf Jahren war das noch eine kleine Veranstaltung, die vor vielleicht 150 Leuten stattfand. Über die Zeit ist das Ganze gewachsen, parallel dazu hat sich die Musikbranche aber grundlegend gewandelt. Im Vorjahr kam es deshalb zu Änderungen – nach eingehender Reflexion und der Erkenntnis, dass man den Amadeus zwar wachsen lassen kann und er als der österreichische Musikpreis zweifellos seine Geltung hat, er aufgrund der Marktgröße aber nie die Bedeutung der MTV-Awards oder des Echo in Deutschland erhalten wird.

Wir haben den Fokus auf den österreichischen Musikmarkt gelegt, wollen heimischen Künstlern Anerkennung und eine Bühne geben. Internationale Künstler haben wir als Live-Acts dabei. Für Metallica oder Pink ist eine österreichische Auszeichnung auch nicht so wertig. Da muss man realistisch sein.

Die Generalüberholung geschah nach anhaltender Kritik an der Veranstaltung. Eine weitere Neuigkeit seither: Der Amadeus basiert nicht mehr nur auf den Verkaufszahlen. Heute bestimmt eine Jury die Nominierten, aus denen das Publikum die Gewinner wählt.

Nachdem der internationale Musikmarkt für die Auszeichnungen weggefallen ist, hat sich eine reine Verkaufswertung erübrigt: Im Bereich Rock/Pop wären so nur Starmania-Abgänger zum Zug gekommen – und das bildet das Musikschaffen des Landes nicht ab. Deshalb der Wechsel von Quantität zu Qualität, wobei der Bestseller im jeweiligen Genre heuer fix gesetzt ist. So haben wir einen Mix aus Experten und Publikum – und auch der kommerzielle Erfolg wird honoriert.

Das Feedback, das auf den "Amadeus neu" folgte, war nur unwesentlich besser. Warum hat dieser Preis einen so schweren Stand?


Prinzipiell gerät in Österreich einmal alles und jeder in die Kritik – vom Teamchef über die Bundesregierung bis hin zur Gebietskrankenkasse. Tatsächlich hatte aber auch ich viele Kritikpunkte am Vorjahres-Amadeus – organisatorische Dinge, zudem war der Faktor Pop unterrepräsentiert –, und am heurigen werde ich wieder Kritikpunkte haben. Das ist ganz normal.

Auch hinsichtlich der Kategorien stellen sich Fragen. So wird zum Beispiel der Preis für das Album des Jahres genreübergreifend vergeben. Welchen Sinn ergibt es, eine Indie-Band wie Garish gegen den Schlagersänger Nik P. antreten zu lassen?

Auch darüber haben wir uns lange Gedanken gemacht. Es geht um das Gesamtwerk, das ein Album nun einmal ist. Und das gilt für jedes Genre, da kann man den Schlager nicht ausgrenzen. Außerdem wird auch ein ausgewiesener Jazz-Fan akzeptieren können, dass jemand ein hervorragendes Elektronikalbum gemacht hat.

Inwiefern denken Sie, dass die Verleihung eines Amadeus dem jeweiligen Künstler zugutekommt?


Wenn man künstlerisch tätig ist, dann ist jede Form von Anerkennung und Respekt – nämlich durchaus auch von Menschen, die das Gleiche oder Ähnliches machen – eines der schönsten Dinge überhaupt. Dazu kommt das Wissen, den Preis im Grunde vom Publikum zu erhalten. Und im Ausland ist es nachweislich ein Argument, in seinem Heimatland einen derartigen Award erhalten zu haben. Inwiefern man es deshalb zu Dachterrassenwohnung und Bentley bringt – darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber: Hilft’s nicht, schad’s nicht.

Hinter dem Amadeus steckt die IFPI, deren Präsident Sie seit dem Jahr 2007 sind. Können Sie die Anliegen der IFPI kurz erklären?

Die IFPI ist der Dachverband der Musikwirtschaft. Unsere Kernaufgabe ist es, für adäquate Rahmenbedingungen am Markt zu sorgen. Es geht um Lobbying, Urheberrechtsschutz, Lizenzmodelle und so weiter. Neben den Majorlabels – also neben uns, EMI, Warner und Sony – sind auch zahlreiche Kleinlabels dabei. Die tragen ja die Musikwirtschaft mit. Man kann das auch an den Nominierungen sehen.

Der Musikmarkt ist rückläufig. Als Managing Director von Universal Music sind Sie direkt betroffen.

Als unverbesserlicher Optimist bemühe ich mich immer, der Sache etwas Positives abzugewinnen. Als die Wirtschaftskrise die Welt ereilt hat und sich plötzlich sehr viele Firmen Sorgen machen mussten, war ich in Diskussionen verwickelt, wie das denn bei uns aussieht. Ich meinte: Die Krise existiert bei uns seit dem Jahr 2000, und was ihr beginnt, gerade nachzuholen, machen wir bereits seit zehn Jahren.

Ernsthaft betrachtet: Die Industrie hat in zehn Jahren zumindest 40 Prozent des Marktes verloren – und das nicht, weil alle so schlecht gewirtschaftet hätten, sondern weil es den "Mitbewerber" im Internet gibt, der alles um null Cent anbietet. Ich weiß nicht, wie viele Branchen unter solchen Bedingungen noch existieren würden. Insofern ist die Performance der Musikindustrie bemerkenswert.

Das Internet stellt aber auch die Filmindustrie oder das Verlagswesen vor Herausforderungen.


Natürlich. Wir sind in einem Transformationsprozess, der noch lange nicht zu Ende ist. Es unterscheidet uns von anderen Branchen, dass wir mit technischen Errungenschaften konfrontiert sind und zudem nicht Zahnpasta verkaufen. Wir verkaufen, wenn man so möchte, Emotionen. Und unsere Businesspartner, Vertriebswege und Erlösmöglichkeiten ändern sich.

Was sich nie ändert, ist, dass wir es mit Künstlern zu tun haben – die auch immer mehr an ihre Interessen denken. Aber Musik ist die älteste Kunstform, und es wird sie immer geben. Die Nachfrage nach ihr steigt, nur der Erlös nicht. Dieses Verhältnis so gut wie möglich auszubalancieren, das ist die Herausforderung.

Wie soll das gelingen?


Die Einnahmen aus dem Internet- und Handymusikmarkt steigen, sie können die Umsatzeinbußen aber auch in den nächsten Jahren nicht auffangen. Aber Musik kann man verlizensieren. Wir sind auch nicht gegen andere Nutzungsformen – Streamingangebote zum Beispiel. In manchen Ländern Europas stellen sich aber die Verwertungsgesellschaften dagegen, auch in Österreich. Prinzipiell gäbe es eine Unzahl von Verwertungsmöglichkeiten für Musik, die von Rechtsstreitigkeiten verunmöglicht werden. Heißt: Markt wird verhindert.

Sie haben es schon angesprochen: Auch auf der Künstlerseite hat sich einiges verändert. Prince oder Radiohead, um nur zwei zu nennen, kümmern sich zum Beispiel selbst um den Vertrieb.


Das bereitet mir keine Sorgen, weil es bei einer Handvoll großer Namen funktionieren mag, die es sich auch leisten könnten, all ihre Musik herzuschenken. Und zwar auf einer wirtschaftlichen Basis, die ausnahmslos in der Major-Struktur für sie geschaffen wurde. Sag das einer kleinen, österreichischen Band. Die hätte auf diesem Weg keine Chance.

In den 90er Jahren galt ein Majorvertrag auch hierzulande noch als erstrebenswert. Heute gibt es eine lebendige Szene mit Kleinlabels, die aus Liebhaberei heraus arbeiten und auf die Majors nicht angewiesen sein wollen...

Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die Kleinlabels betreiben. Weil ich weiß, dass dahinter kaum Geld steckt – und Nebenjobs unerlässlich sind. Da geht es auch um eine Art Kulturbetrieb. Ein großes Unternehmen wie Universal muss anders kalkulieren. Auch wenn jemand einwendet, dass wir Namen wie DJ Ötzi und U2 verkaufen können: Nichts verkauft sich heute mehr von selbst.

Zur Person

Hannes Eder wurde 1967 in Wien geboren. Beruflich war er bei Ö3 und als Programmplaner für FM4 ebenso tätig wie als Geschäftsführer einer Werbeagentur, ehe er im Jahr 2003 zum Managing Director von Universal Music Österreich avancierte. Seit 2007 ist er zudem Präsident der IFPI Österreich, des Dachverbands der heimischen Musikwirtschaft. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Hannes Eder als Juror der ORF-Castingshow "Starmania" bekannt. Eder wohnt mit seiner Ehefrau und seinen drei Söhnen in Wien.

Amadeus Awards

Die Austrian Music Awards, in deren Rahmen der Amadeus verliehen wird, werden seit dem Jahr 2000 abgehalten. Heuer findet die Veranstaltung erstmals in der Wiener Stadthalle statt, Puls 4 überträgt die Veranstaltung am heutigen Donnerstag ab 23.25 Uhr. Preise werden in acht Genres sowie genreübergreifend vergeben. Mit dem Amadeus für sein Lebenswerk wird der 80-jährige Geiger und Komponist Toni Stricker ausgezeichnet. Die Moderation übernimmt nach dem Vorjahr abermals Michael Ostrowski.

(Wiener Zeitung, 16.9.2010)

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