Dienstag, Juni 14, 2011

Im Staub mit Lemmy, im Bett mit der Frau

Am Montag ging in Nickelsdorf das Nova Rock zu Ende

Nach drei Tagen in Nickelsdorf hatte man es am Montag mit Menschen zu tun, denen die Strapazen ins Gesicht und mit philosophisch bedruckten T-Shirts auch auf den Bauch geschrieben standen: „Ich schlafe nicht. Ich warte!“ Stichwort: Wann sind wir endlich daheim?

Tatsächlich waren die Rahmenbedingungen zumindest witterungstechnisch perfekt. Kein Regen mag für die Bauern im Umland problematischer sein als für die Eltern der jungen Nova Rocker und die Frauen der Herrenrunden, die ihre Lieben nur ungern als Gatschmandln in Empfang nehmen möchten. Ein als dehydrierend zu beschreibender Lebensstil auf Zeit und heftige Staubverwehungen ließen am Abschlusstag aber doch Vorfreude aufkommen, was den Abbruch der Zelte betraf.

Die Umstände miteinbedacht, blieb das vom Vollrausch auch durch einen Bierpreis von 4,50 Euro abgehaltene Partyvolk dabei aber gelassen. An die schreibende Zunft gerichtete Fragen nach lustigen Zigaretten oder dem Klo wurden stets freundlich gestellt. Für das nächste Mal trotzdem: Immer der Nase nach! Schließlich wird das aufgrund von Machtdemonstrationen multinationaler Konzerne nur schwer als Konzertgelände auszumachende Areal olfaktorisch nicht nur von der Wurstgrillerei bestimmt.

Musikalisch galt es zu überstehen: die um ihren Frontmann erleichterten, ehemaligen Christ-Rocker Creed, als Alter Bridge nun mit mehr Solo, oder den verwässerten Drum ’n’ Bass der Australier Pendulum. Während Otto Waalkes mit seinen Friesenjungs als Headliner auf dem Hauptareal Ambros und Sting intonierte, kam es auf der Nebenbühne zu einem Wiederhören mit System Of A Down und deren Hochgeschwindigkeitsmetal zwischen Planierraupen-Riffs und armenischem Akzentgebell, der den Geist des Antikapitalismus hinüber zum Red-Bull-Stand wehte.

Dabei erklärte das Finale des mit 55.000 Besuchern pro Tag ausverkauften Festivals, dass Innovation auf wertkonservativen Rockfestivals nicht erwünscht ist. Das Alte und das Altbewährte regieren die Welt. Mit Motörhead und Iron Maiden demonstrierten dies zwei Institutionen mit Nachdruck.

Lemmy Kilmister, der Mann, der seinen Ärzten Unfähigkeit attestierte, weil sie ihm als Trinker – wie soll das gehen? – Dehydrierung unterstellten, böllerte sich mit Motörhead durch seine Punk und Metal als Rock ’n’ Roll für ewige Buben deutende Welthits wie „Ace Of Spades“, „Killed By Death“ und „Overkill“.

Das war bei erheblichen Tonproblemen lauter als Iron Maiden, die sich über die Gabe neuer und neuerer Songs als deutlich nachdenklicher erwiesen als einst. Theatralisch gegebene, von Keyboardstreichern umspielte Balladen wie „Blood Brothers“ oder das entschieden als alstermilde zu bezeichnende Atomkatastrophen-Drama „When The Wild Wind Blows“ zeugten in weiter Ferne zur einstigen Blut-und-Beuschel-Lyrik davon.

Nach genredefinierenden Klassikern wie „The Number Of The Beast“ und dem auch heute noch übermächtigen „Hallowed By Thy Name“ ging es nach Hause zu Mutti oder ins Bett mit der Frau. Dort staubte es zum zweiten Mal.

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