Freitag, August 19, 2011

Schönes Leid, blaue Pausen

Am Donnerstag startete das FM4-Frequency-Festival in seine elfte Saison.

Zum Auftakt seiner elften Saison lud sich das FM4-Frequency-Festival mit The Kooks eine mittelbegabte Schülerband als Headliner auf die kleinere Hauptbühne, deren Indie-Pop man sich als ewige Talentprobe vorstellen muss. Über das Berliner Dancehall-Kollektiv Seeed, das den Abend auf der großen Bühne beschloss, gibt es zu sagen, dass sein aktuelles Album auf das Jahr 2005 zurückdatiert.

Am charmfreien Betonareal des VAZ St. Pölten hatte man es ansonsten mit Acts zu tun, die man schon zuletzt live erleben durfte – darunter wunderbare Namen wie Scott Matthew oder The National. „Veränderte Rahmenbedingungen im Musikgeschäft“, das bedeutet, dass mit Tonträgerverkäufen weniger Geld verdient wird und die Bands auf Never Ending Tour gehen müssen. Der Hang zum Mehr vom Gleichen multipliziert sich beinahe ohne das Zutun der Organisatoren.

Am Frequency ist das egal, weil zahlreiche Besucher die Musik ohnehin nur als Randnotiz wahrnehmen. Zur Zerstreuung in der mit Piercingstudios und kulinarisch bedenklichen Imbisshütten bestückten Funzone dienen Mal- und Tischfußbalturniere oder das „Spy Game“, das zur interaktiven Agentenjagd lädt. Nachmittags tummelten sich am Donnerstag mehr Besucher an der Traisen als vor der Hauptbühne: Ein Bad für 130 Euro.

Wer wegen der Musik anreiste, durfte Jamie Woon kennenlernen, der Dubstep mit Soul und R ’n’ B kurzschloss und damit einen hypermodernen Sound generierte. Etwas, das man von Yuck nicht behaupten konnte, für deren rumpelnden Sound Indie-Heroen wie Pavement als Blaupause dienen. Bloc-Party-Vorstand Kele Okereke erwies sich solo wiederum als launiger Animateur. Sein auch House- und Rave-Elemente eingemeindendes Songwriting wurde bei größtmöglichem Gitarrenverzicht aber kaum zwingend. Ein Fazit, das auch das Set des Two Door Cinema Club nach sich zog. Die Nordiren vestehen es zwar, ihren elektronischen Indie-Pop mit tanzbaren Post-Punk-Beats zu unterlegen, bereits nach wenigen Liedern allerdings wurde die Redundanz enervierend.

Nostalgie bestimmte den Auftritt von Hurts. Immerhin stellt das Duo aus Manchester den Mainstream-Pop der 80er-Jahre unter besonderer Berücksichtigung des schönen Leides an der Welt für eine jüngere Generation nach, ohne ihm etwas moderneres beizufügen. Live strebte das Duo nach monumentalen Klängen, während die Songs wahlweise an Tears For Fears oder einen Schlager erinnerten, den man auf Radio Burgenland hören und gleich wieder verdrängen musste. Sänger Theo Hutchcraft streute dem Publikum ebenso charmant Rosen wie ihm Liam Gallagher im Anschluss rüpelhaft entgegenspuckte.

Beady Eye, der Rest der von Noel Gallagher wegen der inhärenten Dummheit seines Bruders verlassenen Oasis, steht für den Sound seiner Vorgängerband, wenn diese nur Füllmaterial aufgenommen hätte. Wertkonservativer Britpop mit schlechten Texten, von Liam Gallagher gelangweilt wie langweilig, nach einer kokainistischen Karriere trotz allem überzeugt von sich selbst vorgetragen. „I’m gonna stand the test of time like Beatles and Stones”, wie Gallagher eine Tatsache auf den Punkt brachte – aber auch nur, weil er seine ewigen Helden mit Songs wie „Bring The Light“ quasi plagiierte.

Das Drama dauerte keine Stunde, ehe Gallagher wortlos verschwand. Wie heißt es so schön? Don’t look back in anger!

(Wiener Zeitung, 20./21.8.2011)

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