Mittwoch, November 24, 2010

Begräbnis unter Freunden, in Ruhe und mit Stil

Konstantin Gropper alias Get Well Soon gastierte mit seiner Band in der Wiener Arena.

Unter den dürftigen Erkenntnissen der Kommunikationswissenschaft gilt zumindest das eine als sicher: Vom Sender hin zum Empfänger ist es bisweilen ein weiter Weg, auf dem Gefahren lauern, Hindernisse und Barrieren.

Umgelegt auf die alte Tante Pop will das bedeuten, dass aufgrund toxischer Nahrungsergänzung auf und vor der Bühne 25 Meinungen kursieren, wenn sich zehn Leute über ein und dasselbe Konzert unterhalten. Mitunter passiert aber auch das: Obwohl die Musik klingt, wie man sie von der Platte her schätzt, und die Band beherzt an die Arbeit geht, verpufft die Wirkung auf dem Weg Richtung Publikum. So geschehen auch am Dienstag in der Wiener Arena.

Dort stand mit Konstantin Gropper alias Get Well Soon einer der zentralen deutschen Popexporte der Vorjahre auf der Bühne. Der 1982 im Schwabenland geborene, zuletzt in Berlin und nun im baden-württembergischen Mannheim ansässige Gropper verblüffte erst 2008 mit einem erstaunlichen Debütalbum.

Hymnen und Elegien

Auf "Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon" präsentierte der an Cello und Klavier auch klassisch geschulte Musiker 14 im Schlafzimmer produzierte Eigenbau-Songs, die, opulent instrumentiert, zwischen Hymne und Elegie schwankten. Lose inspiriert von Helden wie Radiohead, Arcade Fire oder Zach Condon alias Beirut, eroberte sich Gropper dabei sein eigenes Universum, das er heuer mit seinem Zweitling "Vexations" endgültig in symphonische Gefilde überführte. Groppers Hang zur großen Geste wurde dabei kritisch beäugt. Auch und vor allem seiner Songtexte wegen, denen Seneca, der Stoizismus und – mindestens! – das Gesamtwerk Peter Sloterdijks zugrunde liegt, fiel das Wort "Kopfgeburt" nicht zu selten. Die Musik selbst war das Gegenargument: Ihre mollige Traurigkeit ließ sich als großes, aber nie aufdringliches Gefühlskino nicht nur im Zweifelsfall eher über den Bauch und das Herz erschließen.

Im Konzert überraschte, wie wenig sich das Berührungspotenzial dieser Songs offenbarte. Trotz um Innigkeit bemühter Trompete, aufheulender Geige und der ätherischen Sirenengesänge von Groppers Bühnenpartnerin nahm das Publikum den soliden Auftritt vielmehr zur Kenntnis. Mit fünfköpfiger Band, die auch an Xylo-, Marimba- und Vibraphon zu arbeiten hatte, führte Gropper als Großvaters Stolz im gestrigen Dreiteiler lange durch die ruhigsten Passagen aus seinem Œuvre, was im Saal zu Ermüdungserscheinungen führte. Ehe druckvoll-düstere Songs wie "Angry Young Man" oder "If This Hat Is Missing.. ." erklangen, setzte es das begräbnistaugliche "A Voice In The Louvre", "A Burial At The Sea", bei dem Groppers trockener Vortrag an jenen Lou Reeds erinnerte, sowie das von Balkan-Motivik bestimmte "5 Steps / 7 Swords".

Für einen sympathischen Auftritt gab es letztlich höflichen Applaus, für die aufgesparten Taschentücher in der Kälte der Nacht eine neue Verwendung: Get Well Soon!

(Wiener Zeitung, 25.11.2010)

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