Das waren die 90er-Jahre: Trip-Hop-Veteran Tricky gastierte in der Wiener Arena.
"I can hardly breathe" – man musste diesen Satz aus Trickys Albtraumvertonung "Vent" in der Arena auch so verstehen: Als ihn der 1968 als Adrian Thaws in Bristol geborene Musiker gegen Ende seines Konzertes anstimmte, hatte der Asthmatiker bereits an mehreren Zigaretten gesogen. Kennt man Tricky nun als ausgesprochenen Freund der herbalen Produkte Jamaikas, so wird auch die trotz einiger Dehnübungen im Bereich um den Thorax grundsätzlich behäbige Bühnenerscheinung des Sängers erklärbar.
Tricky, der ebenso wie Massive Attack aus dem Bristoler DJ-Kollektiv The Wild Bunch hervorging und somit zu den Gründervätern des Trip-Hop gehörte – eine Klassifizierung, die er selbst immer ablehnte –, kündete bereits auf seinen ersten Alben von Kifferparanoia und Katerstimmung. Alben wie "Maxinquaye" und "Pre-Millennium Tension" zeugten in ihrer düsteren Ausformung nicht nur zwischendurch von einem Künstler, um den man sich sorgen musste.
Allerdings fand der auch biografisch gebeutelte Tricky – seine alleinerziehende Mutter beging Selbstmord, als er vier Jahre alt war – in der Musik eine Möglichkeit, sich den Dämonen zu stellen. Auf Alben wie "Juxtapose" und "Blowback" wurde er zugänglicher und reüssierte mit Songs wie "For Real" oder "Evolution Revolution Love" auch in den Charts.
In der Wiener Arena eröffnete Tricky, flankiert von seiner vierköpfigen Band und Gastsängerin, mit einer Instrumentalversion von "You Don’t Wanna", das auf der markanten Synthie-Spur von Eurythmics "Sweet Dreams" basiert, und ging über zu "Really Real" vom aktuellen Album "Mixed Race". Darauf gab sich Tricky zuletzt binnen nur 30 Minuten erstaunlich abwechslungsreich, was sich live in der düsteren Gangsta-Abhandlung "Ghetto Stars" ebenso niederschlug wie in einer Coverversion von Terry Lynns "Kingston Logic", das Tricky mit Elementen aus "Warm Leatherette" von Daniel Miller versah. Wie es sich für das Genre gehört, war Tricky schon immer Zitatenkönig und Samplekaiser.
Im Konzert interpretierte er Public Enemy mit "Black Steel" und coverte Motörheads Bubenhit "Ace Of Spades". Er bot solide, aber wenig intensive Versionen des Krautwalzers "Pumpkin" oder des R&B-Stampfers "Puppy Toy", der in einer gerechteren Welt der bessere Aguilera-Hit wäre. Allerdings ließen Crossover-Songs wie das einst mit zwei Vierteln der Red Hot Chili Peppers eingespielte "Girls" keinen Zweifel: Das waren die 90er Jahre. Die sind lange vorbei und klingen heute bereits reichlich angestaubt.
Tricky selbst erreichte kaum mehr Präsenz als Teile des Publikums, die er freundlich zu sich auf die Bühne bat, und ging in eine Rauchpause, während die Sängerin Schicht hatte. Auch das war Tricky schon immer: kalt-warm. Smoke on!
(Wiener Zeitung, 11.11.2010)
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