- Sternstunden der Bedeutungslosigkeit
Aktuell macht sich also Nadine Beiler Hoffnung, für Österreich beim Eurovision Song Contest reüssieren zu können. Am Donnerstag tritt die gebürtige Tirolerin mit ihrer Ballade "The Secret Is Love" im Düsseldorfer Semi-Finale an, dessen erster Teil bereits am Dienstag bestritten wurde.
Die Geschichte der österreichischen Teilnahme ist jedenfalls wenig gewinnversprechend: Bei insgesamt 43 Antritten stehen einem Sieg vier letzte Plätze gegenüber. Ein Streifzug durch die Jahrzehnte.
1957: Bob Martin – „Wohin, kleines Pony?“
Der 1922 als Leo Heppe geborene und Zeit seiner Karriere im Chor der Wiener Staatsoper beschäftigte Sänger Bob Martin gibt die Richtung vor: Mit dem von Kurt Svab geschriebenen Lied „Wohin, kleines Pony?“ ist Österreich der letzte Platz gewiss. Im Fahrwasser einer Unterhaltungsindustrie, die sich unter Regie von Franz Antel um Vergangenheitsbewältigung durch Vergessen bemüht, geht es auch hierbei um einen eskapistischen Ritt über die Weiden des Wirtschaftswunderlandes: „Heut’ ist ein Tag nur für uns zwei. Und du und ich sind sorgenfrei.“ Weltberühmt in Österreich für maximal ein Jahr. Vergessen in Europa für mindestens immer.
1966: Udo Jürgens – „Merci, Chérie“
Nach seiner Teilnahme in den Jahren 1964 („Warum nur, warum?“ – Platz 6 von 16) und 1965 („Sag ihr, ich lass sie grüßen“ – Platz 4 von 18) gewinnt Udo Jürgens den Song Contest im dritten Anlauf. Für Österreich ist es der erste und bislang einzige Sieg, für Jürgens der endgültige Durchbruch. Eine Weltkarriere hatte sich bereits abgezeichnet, als Jürgens 1960 „Reach For The Stars“ für Shirley Bassey komponierte. Über die Jahre wird der gebürtige Kärntner zum gefeierten Liedermacher, dessen Werk sich zunehmend ernsten Themen widmet und dem Schlagerfach das Banale entzieht. Kurz: Udo ist bis heute ein Guter; ein Held für seine Fans, ein Schutzpatron für die Frottee-Innung. Bademäntel aller Länder...
1977: Schmetterlinge – „Boom Boom Boomerang“
Ein Jahr, nachdem Waterloo & Robinson mit „My Little World“ den fünften Platz erreichten, um zumindest fünfzig Prozent des Duos eine bis heute florierende Karriere zwischen der Barbara-Karlich-Show und dem Paschinger Einkaufszentrum zu garantieren, schlagen die Schmetterlinge neue Töne an. Texter Lukas Resetarits stellt das Musikbusiness unter den Watschnbaum, die Band um die in verführerischem Zuckerlrosa erstrahlende Beatrix Neundlinger ulkt sich mit choreografischem Wagemut durch den Auftritt. Kurz: Die Idee des Widerstands von Innen ist im Universum des Song Contest (noch) verpönt. Humor ebenso. Man kann, darf, muss mit dem vorletzten Platz mehr als zufrieden sein.
1984: Anita – „Einfach weg“
Es waren die 80er-Jahre. Youtube erklärt in zahllosen Episoden, warum das Jahrzent schlecht war, in dem man sich selbst um einen erfolgreichen Volksschulabschluss bemühte und von Mama Jacken gekauft bekam, die diese als wahlweise „flott“ oder „poppig“ bezeichnete. Man muss sich „Einfach weg“ als den Soundtrack dazu vorstellen. Anita (heute bürgerlich: Anita Wagner), in Luxemburg flankiert von sechs Herren in blau-weißen Anzügen, geht damit unter. Platz 18 von 18 - trotz eines flotten Kostüms!
1992: Tony Wegas – „Zusammen geh’n“
Dieter Bohlen hat die Welt vieles zu verdanken. Vieles wie: eigentlich nichts. Einen Teil seines Einkommens im Jahre 1992 verdiente der blonde Ungust mit den Kompositionsrechten an Tony Wegas’ Song-Contest-Beitrag „Zusammen geh’n“. Das war, bevor er sich als Testimonial für fettarme Diät-Magarine („Nach drei Wochen wieder alles im grünen Bereich!“) verdingen durfte.
Tony Wegas alias Anton Hans Sarközi alias Anton Hiller jedenfalls muss sich auf der Bühne des Malmöer Eisstadions durch eine Ballade leiden, die es an Schmalz nicht mangeln lässt – dafür gibt es einen Platz im vorderen Mittelfeld. Nach einem weiteren Versuch im Folgejahr („Maria Magdalena“, Platz 14 von 25) wird es um Tony Wegas nicht still. Es folgt eine toxikologische Karriere zwischen Heroin und Kokain sowie eine Nebenerwerbstätigkeit als Omis schlimmster Albtraum. Heute ist angeblich wieder alles im Lot.
2004: Tie Break – „Du bist“
Österreich will mit einer Boygroup punkten – und kommt dafür knapp eineinhalb Jahrzehnte zu spät. Wiederum eineinhalb Jahrzehnte später wird sich auch auf der Nuller-Jahre-Gedächtnissparty in Mürzzuschlag niemand mehr so recht an Tie Break erinnern wollen.
In den Jahren 2006, 2008, 2009 und 2010 verzichtet Österreich auf eine Song-Contest-Teilnahme.
(Wiener Zeitung, 11.5.2011)
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