Der aus Philadelphia stammende Songwriter Kurt Vile stellte sich erstmals in Wien vor.
Man mag es dem Mann nicht sofort anhören, aber: Der Schalk im Nacken ist Kurt Vile durchaus nicht fremd. Schließlich war der 1980 bei Philadelphia geborene Songwriter einst nicht nur Teil einer Band namens The War On Drugs, die zumindest vom Namen her das Gegenstück zu einem der interessanteren Albumtitel aller Zeiten verkörpert: „Taking Drugs To Make Music To Take Drugs To“ der britischen Alternative-Drogisten Spacemen 3, mit denen Kurt Vile letztlich ein latenter Hang zur Psychedelik verbindet.
Auch als Solokünstler ließ der Songwriter gleich zu Karrierebeginn den ironischen Bruch regieren. Sein im Jahr 2008 noch weitestgehend von einer gewissen Verweigerungshaltung bestimmtes Debütalbum hieß zwar „Constant Hitmaker“, stellte in bester Do-It-Yourself-Manier aber verschrobenes Lo-fi-Songwriting zur Schau. Kurt Vile, so unser Held in einschlägigen Interviews über Leben und Werk, sei aber sein tatsächlicher Name und – großes Indianerehrenwort! – kein Schmäh von wegen Bert Brecht und Dreigroschenoper.
Wie ein Konzert im eher mäßig besuchten Chelsea am Dienstagabend bewies, wird man den Mann jedenfalls noch entdecken müssen. Trotz öffentlicher Liebesbekundungen vonseiten Kim Gordons oder des Dinosaur-Jr.-Masterminds J Mascis und einer Öffnung seiner Arbeit in Richtung eines glatteren Sounds ist Vile noch immer ein Geheimtipp aus der Nische. Vielleicht aber wird man, so wie einst bei Nirvana im U4, schon in wenigen Jahren auch wieder einmal dabei gewesen sein müssen, als der Kurtl uns damals in Wien seine Lieder vorsang.
Gemeinsam mit seinen drei Kollegen von The Violators an Schlagzeug und Gitarren, die im Früh-Neunziger-Gedächtnislook mit zerrissenen Grunge-Jeans, Es-geht-um-nichts-T-Shirts und konsequent vor dem Gesicht geschütteltem Haupthaar ihren Dienst versahen, legte Vile schnell seine Einflüsse offen: Der Mann, der über weite Strecken intoniert wie ein Hybrid aus Lou Reed und Alan Vega, ließ bei „Hunchback“ The Velvet Underground und Iggy Pop aufeinandertreffen, während das mit Nachdruck gegen die Wand gefahrene Dim-Stars-Cover „Monkey“ seine Nähe zu Sonic Youth unterstrich. Dazwischen ratterte Bruce Springsteens „Downbound Train“ nach unten, in den „kontemplativeren“ Momenten wiederum durfte man schließlich an Neil Young in seiner On-The-Beach-Phase denken. Abseits jedweden Blaupausen-Verdachts führt Viles Wissen darum aber nichtsdestotrotz zu eigenständigen Ergebnissen.
Die mit reichlich Hall auf jeder Tonspur, Fuzz-Gitarren, Feedbackschleifen und ausladenden Soli versehenen Songs gerieten live jedenfalls härter, lauter und angriffiger, als man es angesichts des aktuellen Albums vermutet hätte. Auf „Smoke Ring For My Halo“ klang Vile mit von akustischer Gitarre und atmosphärischem Beiwerk getragenen Songs zuletzt abwechselnd zurückhaltend, verträumt und verhuscht wie ungewohnt zugänglich und positiv – „Jesus Fever“ oder „In My Time“ kamen aus letztgenannter Ecke.
Der (ohnehin nur scheinbare) Widerspruch aus Schönheit und Krach, er wurde an diesem Abend wohltuend aufgehoben.
(Wiener Zeitung, 12.5.2011)
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