Wild Beasts und ihr drittes Album, "Smother".
Am 28. April twitterte der kanadische Pop-Geiger Owen Pallett verzückt aus der Mehrzweckhalle am Areal des Donaufestival Krems: "Wild Beasts always make me feel like a 12-year old fangirl."
Zugegeben: Wer die vier jungen Herren aus dem britischen Kendal ihre Kunst ausüben sah (und hörte), kann Pallett zumindest verstehen. Hingebungsvoll und leidenschaftlich, mit großer Geste, aber ohne Machismo ließ die Band ihr einer gewissen Romantik verpflichtetes Œuvre erschallen. Quasi als Live-Weltpremiere wurden dabei auch Songs aus dem nun vorliegenden Album "Smother" präsentiert.
Der dritte Streich des sympathischen Trupps um seine Sänger Hayden Thorpe und Tom Fleming markiert die stringente und rasante Weiterentwicklung einer Band, die sich bei allem Veränderungswillen nichtsdestotrotz selbst treu blieb. Vor diesem Hintergrund zur Erinnerung: "Limbo, Panto", das Debütalbum der Wild Beasts, ist erst vor drei Jahren erschienen. Damals präsentierte sich die 2002 formierte Band als launig-queere Kombo, deren eklektischer und noch mit vielen Ecken und Kanten versehener Sound vor allem bei Vaudeville und Cabaret Anleihen nahm, mit dem hysterischen Falsettgesang Hayden Thorpes zusätzlich für Distinktion sorgte und Afro-Pop-Elemente neben dekadent-närrische Walzer stellte.
Wilde Biester waren die Musiker aber auch damals nicht, im Gegenteil: Das sanfte Gemüt dieser Jungmänner und die daraus geschöpften Lieder schienen den mit der Malereiströmung des Fauvismus auf die Kunstgeschichte zurückgehenden Bandnamen eher zu kontrastieren. Noch zahmer wurde es wenig später mit dem Meisterwerk "Two Dancers" (2009), auf dem sich die Wild Beasts einem in der Machart glatteren Indie-Pop annäherten, der das Wissen der Musiker um ewige Pop-Edle wie etwa Prefab Sprout oder Edwyn Collins’ ehemalige Band Orange Juice bündelte, dabei aber eigenständig und trotz dieser Nähe zu den 80er Jahren zeitlos blieb. Obwohl man auch dabei das Gefühl hatte, dass die Band die endgültige Öffnung ihrer vor Ideen nur so brodelnden und grundsätzlich zugänglichen Songs hin zum großen Hit nie gänzlich zuließ, fielen mit "Hooting & Howling", "All The King’s Men" oder "We Still Got The Taste Dancin' On Our Tongues" dennoch drei unbedingte Götternummern ab.
So gesehen ist "Smother", das vielmehr als Gesamtpaket denn über einzelne Songs funktioniert, subtiler ausgefallen. Maximal im mittleren Tempobereich angesiedelt, durchgehend ruhig gehalten und von zwei, drei Balladen zusätzlich gebremst, klingt die Band heute entschieden elektronischer. Zu hübsch in den Vordergrund gestellten, beseelten Klavierakkorden leisten die Gitarren in nobler Zurückhaltung oft nur Arbeit im Hintergrund. Die während einer sechswöchigen Writing-Session im lässigen Osten Londons sowie während eines Monats abgeschieden in Wales entstandenen Nummern sind dabei so entspannt ausgefallen, dass man sie sich vor allem auf der Couch oder im Bett wird anhören müssen.
Nur mit einem pulsierenden Synthie-Bass, Klavier und Thorpes markanter, das angenehme Pathos der Lieder untermalender Sehnsuchtsstimme erklären die Wild Beasts mit "Lion’s Share" zu Beginn ihre neu entdeckte Liebe für atmosphärische Soundgestaltung, die später in den rückwärts gesampelten Loops von "Burning" gipfelt, einem Song, dessen lose gesetzten Drumsounds als eventuelle Nachwehen des Dubstep-Genres das einzige, wenn man so will, zeitgenössische (Spuren-)Element auf dem Album verkörpern – der Rest bleibt abermals zeitlos.
Die Herzstücke muss man in der Mitte suchen. Songs wie das erhaben schwebende Loop The Loop, das erotisierte Plaything und das sich repetitiv schlängelnde Reach A Bit Further allein würden die Anschaffung dieses Albums mehr als nur rechtfertigen. Mit Pauken, dem drastischen Stilmittel der dramaturgischen Pause und Thorpes traurig den Mond anheulendem Falsett geht es schließlich dem Ende zu: "End Come Too Soon" – dem ist nichts hinzuzufügen.
(Domino Records / GoodToGo)
(Wiener Zeitung, 14./15.5.2011)
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