Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs: Kreisky mit neuem Album im WUK.
Wenn wieder einmal Erklärungsbedarf besteht, warum man sich denn so heftig empört, muss gemeinhin auf die Verhältnisse verwiesen werden. Unbill, Schmerz und Neid, kurz, das Schlechte und die Depperten regieren die Welt. Und noch schlimmer: Als sturer Hund ist man in der Regel nicht nur nicht fähig, alldem etwas entgegenzusetzen. „Ihr sagt, ich bin dumm, weil ich nichts weiß. Aber ich will gar nicht zu viel wissen – ich bin zugeschissen genug!“ Was die Kulturgeschichte des Testosterons über die Jahrhunderte vor allem bewies: In der solchermaßen auf schlechte Laune gepolten Gemütsverfassung ist Mann sich selbst der größte Feind.
Vor dieser Problemstellung steht die Wahl-Wiener Band Kreisky um ihren ewig polternden Sänger Franz Adrian Wenzl seit mittlerweile drei Alben. Das jüngste, das es am Mittwoch im gut gefüllten WUK vorzustellen galt, trägt bezeichnenderweise den Namen „Trouble“ und präsentiert seine Protagonisten als Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs. Zwar braucht man, wie es auf „Trouble“ frei nach einem Hit der für die Sozialisation Kreiskys womöglich auch nicht ganz unbedeutenden Kapelle The Smiths so schön heißt, als Mensch bekanntlich Liebe. Im Zweifelsfall sät man dann aber erst recht das Gegenteil. Wenzl in einer kurzen, aber dringlichen Mitteilung an den Rest der Welt, vor dem man sich jetzt wieder verstecken will und muss: „Ich will nicht, ich kann nicht, ich werde nicht. Ich wehre, beschwere, ich verweigere mich.“
Ewiger Grantscherben
Von Verweigerung und dem Bedürfnis, weit, im besten Falle sehr weit davonzurennen, von sich selbst und den anderen, die wieder einmal die Hölle sind, handeln viele Lieder der Band. Das kann hinterfotzig klingen, wenn es etwa darum geht, dem Ex-Schatzi noch eines zu sagen: „Seit du fort bist, ist mein Asthma so gut wie verschwunden.“ Und es darf von der Bühne herab langsam in Richtung Publikumsbeschimpfung gehen: „Ich schreie, ich schimpfe, ich schlage, ich spucke. Und ich kassiere Eintritt dafür. Ich schreie, ich schimpfe, und ich bin frustriert, weil mein Schreien nur Deppen interessiert.“
Live bringen Kreisky ihre musikalisch von Post-Punk und Früh-Neunziger-Berserkern wie The Jesus Lizard gleichermaßen beeinflusste Kunst bei erheblich erhöhter Lautstärke zur Meisterschaft. Zu markanten Bassläufen und der bevorzugt Amok laufenden (Slide-)Gitarre gibt Klaus Mitter am Schlagzeug den Haudraufwienix und Wenzl den Grantscherben. Gitarren sägen und schleifen, sie hämmern und bohren.
Energie aus Wut
Neben alten Nummern wird „Trouble“ zur Gänze gespielt. Wir hören den grotesk austrifizierten Western „In der Prärie“ („Renate, du passt auf die Farm auf!“), das Mimen-Bashing „Scheiße, Schauspieler“, das Vinyl-Fetisch-Drama „Das schwarze, schwarze Meer“, live nahe an den Bad Seeds, sowie die bezüglich Tempo und Lautstärke gedrosselte Menschlichkeitsstudie „Menschen brauchen Liebe“. Dazwischen erklärt Wenzl mit launigen Ansagen, warum er als Austrofred ein zweites Standbein als Schmähbruder hat.
Es ist nicht alles schlecht. Zum Beispiel Kreisky. „Schließ Frieden mit deiner Frustration. Verwandle deine Wut in Energie.“ Wenn dieses wunderbare Konzert eines bewies, dann die Möglichkeit dieses Unterfangens.
(Wiener Zeitung, 20.5.2011)
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