Freitag, Dezember 02, 2011

"Ärgste Dinge kommen ans Licht"

Der 24-jährige Songwriter Nino Mandl alias Der Nino aus Wien im Gespräch - eine Annäherung.

Bekannt wurde Der Nino aus Wien mit „Du Oasch“ als Songwriter mit dem gewissen Schmäh. Auf „The Ocelot Show“ und „Down in Albern“ stand der heute 24-Jährige für einen bewusst unsauberen Sound mit poetischen Texten, während sein neues Album „Schwunder“ (Problembär Records) nun auch ausproduzierter klingt. Mit Natalie Ofenböck und Krixi, Kraxi und die Kroxn arbeitet er zudem zwischen Hörspiel und Pop.

Wiener Zeitung: Wir beginnen philosophisch: Was ist Zeit?

Der Nino aus Wien: Zeit? Die Zeit vergeht unterschiedlich schnell für mich. Aber ich hab einmal gehört, dass es sie gar nicht gibt, sie Illusion sei.

Verrinnt Ihnen die Zeit zu schnell?

Ich mache noch gar nicht so lange Musik. Dennoch sind bisher drei Alben von mir und eines mit Krixi, Kraxi und die Kroxn entstanden. Der längste Abschnitt steht mir also erst bevor, ich bin ja noch nicht so alt und noch immer „der frühe Nino“.

Sie selbst sprechen und wirken eher langsam, Ihr Output ist trotzdem hoch.

Ich spreche langsam, das mag schon so sein. Allerdings muss man nicht schnell sprechen, um viel aufzunehmen.

Wir leben nicht erst durch Facebook in einer Echtzeitwelt. Heute kann und muss alles schneller gehen, der Leistungsdruck steigt.

Leistungsdruck, na ja. Ich vertraue bei der Musik auf die natürliche Entwicklung. Ich zwinge mich nicht, etwas aufzunehmen oder herauszubringen. Wenn alles normal läuft, entsteht im Jahr genug Material für eine Veröffentlichung.

Gibt es bei der Arbeit eine Art Routine für Sie?

Die schleicht sich manchmal ein, und dann muss man schnell wieder ausbrechen. Für den Schreibprozess selbst habe ich schon ein paar Tricks, aber die verrate ich nicht. (lacht)

Sie kultivieren eine Vorliebe für die Beatles, Bob Dylan, Syd Barrett und andere Helden aus den 60er-Jahren – und auch Ihre Musik ist ein wenig aus der Zeit gefallen. Mit Sehnsucht nach einer anderen Epoche hat das aber nichts zu tun?

Wenn ich ein Lied aus den 60ern höre, dann falle ich in ein Gefühl für diese Zeit. In meiner Musik kopiere ich diesen Zeitgeist allerdings nicht – im Gegensatz zu den Retrobands, die ich teils aber eh recht gut finde. Ich selbst kann den Sound gar nicht wiedergeben. Er ist kein Einfluss für mich, aber Inspiration.

Ein zentraler Satz auf Ihrem ersten Album mit Krixi, Kraxi und die Kroxn lautet jedenfalls: „Die Gegenwart hängt uns schon lange zum Hals heraus.“

Für Krixi, Kraxi und die Kroxn schreibe ich mit meiner Freundin Natalie Ofenböck. Wir haben improvisiert und der Satz ist als Stückwerk entstanden. Ihn näher zu erklären bringt vermutlich auch nichts. Als wir ihn hörten, war seine Bedeutung für uns klar. Wenn der Hörer den Satz mag, reicht uns das eigentlich schon.

Trotzdem: Was könnte für den Nino aus Wien an der Gegenwart besser sein?

Gerade wäre ich lieber gesund, fit und ausgeschlafen. Wenn ich verkühlt bin, ist alles schlecht. Davon abgesehen mache ich mir wenig Gedanken darüber, was ist, war oder sein wird. Es gibt eben nur das Jetzt, auch wenn es einem zum Hals heraushängt.

Die Leichtigkeit früherer Lieder bleibt auf „Schwunder“ weitgehend außen vor. Sie singen „Venedig geht unter“ und „Alles ist zum Absturz bereit“. Darf man das auch als von den Nachrichten beeinflusst betrachten, die uns täglich deutlicher zu verstehen geben, dass alles bald krachen geht?

Vielleicht. Man schreibt ja immer über alles, das man so mitbekommt. „Alles ist zum Absturz bereit“ – eigentlich weiß ich aber selbst nicht genau, wie ich auf einen solchen Satz komme.

Ihre Texte treiben generell ein Verwirrspiel mit dem Hörer. Die Deutbarkeit scheint Ihnen sehr wichtig zu sein?

Es war eine lange Übung für mich, die Dinge heraufzubefördern, die tief in mir schlummern. Ich habe stundenlang einfach nur gesungen, was mir gerade so einfiel. Dabei kommen die ärgsten Dinge ans Licht, man wundert sich selbst darüber. Ich verstehe meine Lieder selten sofort und lerne selbst etwas dabei.

Rausch und Bewusstseinsverschiebungen spielen in Ihren Texten immer wieder eine Rolle. „Fledermaus“ von Krixi, Kraxi und die Kroxn hat nun sogar etwas Psychotisches.

„Fledermaus“ ist in Kooperation mit Ernst Molden entstanden. Ich wollte ein Lied über einen Traum machen, den ich hatte und in dem eine Fledermaus vorkam. Molden wiederum hatte auch ein unfertiges Fledermaus-Lied in der Schublade, um das herum Natalie und ich einen Dialog gebastelt haben. Die Stimmung hat etwas Angstvolles …

… und ganz viel Bekifftes. Geht das ohne Drogen?

Wir haben das Lied am frühen Nachmittag aufgenommen, da waren wir nüchtern. Man hat natürlich Erfahrungen gemacht, die vielleicht durchkommen. Beim Schreiben selbst brauche ich aber einen klaren Kopf. Nur bei „Holidays“ war ich betrunken.

(Wiener Zeitung, 3./4.12.2011)

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