Beth Jeans
Houghton & The Hooves Of Destiny und ihr erfrischendes Folk-Pop-Debüt „Yours
Truly, Cellophane Nose“
In ihren Bann
gezogen, verzaubert und solchermaßen auf eine seltsame Art überzeugt wurde man von
der aus Newcastle upon Tyne gebürtigen Sängerin Beth Jeans Houghton und ihren
Hooves Of Destiny mit der seit zwei Monaten durch das Netz spukenden
Vorab-Single „Sweet Tooth Bird“, die den Sound dieser Band ebenso eindringlich
wie knapp auf den Punkt bringt: Trotz einer Spieldauer von gerade einmal zwei
Minuten und zehn Sekunden aufs Äußerste ideenreich und opulent ausstaffiert, hören
wir eine Hymne mit Pauken und Trompeten, euphorischen Chören und polternden Marching-Band-Trommeln,
die ebenso herzerweiternd erfrischend wie nicht nur für ihr Label recht
ungewohnt klingt. Immerhin veröffentlicht die Schulabbrecherin und musikalische
Autodidaktin ihr nächste Woche erscheinendes Debütalbum „Yours Truly,
Cellophane Nose“ auf Daniel Millers legendärem Londoner Label Mute Records, das
man ansonsten eher für düstere und bevorzugt elektronische Töne kennt.
Den Umstand, dass diese Mischung aus dem britischen No-Name bald eine gefragte Nummer machen könnte, belegt die in Interviews ein tendenziell schwieriges Bild von sich selbst zeichnende junge Frau im Waschzettel des Albums also gleich mit einer Beleidigung ihres Arbeitgebers: „Das ist nicht eines dieser durchgeknallten Alben, das sich fünf Typen in Deutschland anhören werden. Was witzig ist, weil Mute sonst genau dafür steht.“ Passend dazu wollte sich Houghton zunächst auch nicht mit Ben Hillier treffen, der ihr Debütalbum produzieren sollte. Der Mann verantwortete zwar bereits den Sound so unterschiedlicher und renommierter Künstler wie Elbow, Blur oder Depeche Mode, aber, so Houghton: „Mit meiner Musik haben deren Alben doch so gar nichts zu tun.“
Nach
zwei Vorstellungs-EPs erwies sich die Produzentenwahl dann aber insofern als
goldrichtig, als Hillier die nur als Rasselbande zu bezeichnende Band erst einmal
darauf los basteln ließ, ohne auf ihren Urklang groß Einfluss zu nehmen. Ein guter
Pädagoge weiß spätestens seit den 60er-Jahren: Kinder muss man spielen lassen,
damit sie sich frei entwickeln können. Beth Jeans Houghton, die als
Synästhetikerin Buchstaben und Töne auch als Farbabfolgen wahrnimmt, entschied
sich für bunte Klänge und laute Farben, die ihr verspieltes Naturell gewinnbringend
auf die Musik übertrugen. Ja, wir haben es bei der 21-Jährigen mit einer Frau
zu tun, die gerne in Tigerkostümen posiert und gegen den Kinderfasching scheinbar
auch sonst keine Einwände hat. Musikalisch ist uns im grauen Alltag Gefangenen
somit ein willkommener Farbklecks beschert.
Basierend
auf entsprechend mit Kontrabass, Banjo und Cembalo instrumentierten Folk-Harmonien,
die dann aber zumeist doch recht schnell in Richtung Pop aufbrechen, lebt das
Album von ätherischen Engels- und dichten Gruppengesängen sowie einem Hang zu
verträumten bis psychedelischen Geisterschloss- und Jahrmarktsklängen, die
surreale Bildlandschaften vor das geistige Auge zaubern. Das klingt bis zum
Ende charmant und schafft es zumindest über weite Strecken, die inhärente Bedrohung
durch die locker-leichte Jungmädchenharmonik im Zaum zu halten. Dazu kommen hübsche
Afro-Pop-Anleihen („Atlas“), beschwingte Streichquartett-Arrangements („Liliputt“),
Gospel- und Souluntertöne („Veins“) und Texte, mit denen Beth Jeans Houghton
ihre Eigenwilligkeit einmal mehr unter Beweis stellt: „Below the barely skinny
bone tree / You laid an egg and so you bore me / A
baby boy with eyes of mercury!“
Wenngleich
auch nicht alles in gleichem Maße aufgeht wie „Sweet Tooth Bird“, so geht, dem
kurzen Album sei Dank, während dieser vergnügten halben Stunde aber zumindest
einmal die Welt nicht unter. Das ist Beth Jeans Houghton & The Hooves Of
Destiny hoch anzurechnen – man wird sie weiter beobachten müssen.
Beth Jeans Houghton
& The Hooves Of Destiny: Yours Truly, Cellophane Nose (Mute / GoodToGo)
(Wiener Zeitung, 17.2.2012)

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