Donnerstag, Februar 16, 2012

Bunte Klänge, laute Farben

Beth Jeans Houghton & The Hooves Of Destiny und ihr erfrischendes Folk-Pop-Debüt „Yours Truly, Cellophane Nose“

In ihren Bann gezogen, verzaubert und solchermaßen auf eine seltsame Art überzeugt wurde man von der aus Newcastle upon Tyne gebürtigen Sängerin Beth Jeans Houghton und ihren Hooves Of Destiny mit der seit zwei Monaten durch das Netz spukenden Vorab-Single „Sweet Tooth Bird“, die den Sound dieser Band ebenso eindringlich wie knapp auf den Punkt bringt: Trotz einer Spieldauer von gerade einmal zwei Minuten und zehn Sekunden aufs Äußerste ideenreich und opulent ausstaffiert, hören wir eine Hymne mit Pauken und Trompeten, euphorischen Chören und polternden Marching-Band-Trommeln, die ebenso herzerweiternd erfrischend wie nicht nur für ihr Label recht ungewohnt klingt. Immerhin veröffentlicht die Schulabbrecherin und musikalische Autodidaktin ihr nächste Woche erscheinendes Debütalbum „Yours Truly, Cellophane Nose“ auf Daniel Millers legendärem Londoner Label Mute Records, das man ansonsten eher für düstere und bevorzugt elektronische Töne kennt.



Den Umstand, dass diese Mischung aus dem britischen No-Name bald eine gefragte Nummer machen könnte, belegt die in Interviews ein tendenziell schwieriges Bild von sich selbst zeichnende junge Frau im Waschzettel des Albums also gleich mit einer Beleidigung ihres Arbeitgebers: „Das ist nicht eines dieser durchgeknallten Alben, das sich fünf Typen in Deutschland anhören werden. Was witzig ist, weil Mute sonst genau dafür steht.“ Passend dazu wollte sich Houghton zunächst auch nicht mit Ben Hillier treffen, der ihr Debütalbum produzieren sollte. Der Mann verantwortete zwar bereits den Sound so unterschiedlicher und renommierter Künstler wie Elbow, Blur oder Depeche Mode, aber, so Houghton: „Mit meiner Musik haben deren Alben doch so gar nichts zu tun.“

Nach zwei Vorstellungs-EPs erwies sich die Produzentenwahl dann aber insofern als goldrichtig, als Hillier die nur als Rasselbande zu bezeichnende Band erst einmal darauf los basteln ließ, ohne auf ihren Urklang groß Einfluss zu nehmen. Ein guter Pädagoge weiß spätestens seit den 60er-Jahren: Kinder muss man spielen lassen, damit sie sich frei entwickeln können. Beth Jeans Houghton, die als Synästhetikerin Buchstaben und Töne auch als Farbabfolgen wahrnimmt, entschied sich für bunte Klänge und laute Farben, die ihr verspieltes Naturell gewinnbringend auf die Musik übertrugen. Ja, wir haben es bei der 21-Jährigen mit einer Frau zu tun, die gerne in Tigerkostümen posiert und gegen den Kinderfasching scheinbar auch sonst keine Einwände hat. Musikalisch ist uns im grauen Alltag Gefangenen somit ein willkommener Farbklecks beschert.

Basierend auf entsprechend mit Kontrabass, Banjo und Cembalo instrumentierten Folk-Harmonien, die dann aber zumeist doch recht schnell in Richtung Pop aufbrechen, lebt das Album von ätherischen Engels- und dichten Gruppengesängen sowie einem Hang zu verträumten bis psychedelischen Geisterschloss- und Jahrmarktsklängen, die surreale Bildlandschaften vor das geistige Auge zaubern. Das klingt bis zum Ende charmant und schafft es zumindest über weite Strecken, die inhärente Bedrohung durch die locker-leichte Jungmädchenharmonik im Zaum zu halten. Dazu kommen hübsche Afro-Pop-Anleihen („Atlas“), beschwingte Streichquartett-Arrangements („Liliputt“), Gospel- und Souluntertöne („Veins“) und Texte, mit denen Beth Jeans Houghton ihre Eigenwilligkeit einmal mehr unter Beweis stellt: „Below the barely skinny bone tree / You laid an egg and so you bore me / A baby boy with eyes of mercury!“

Wenngleich auch nicht alles in gleichem Maße aufgeht wie „Sweet Tooth Bird“, so geht, dem kurzen Album sei Dank, während dieser vergnügten halben Stunde aber zumindest einmal die Welt nicht unter. Das ist Beth Jeans Houghton & The Hooves Of Destiny hoch anzurechnen – man wird sie weiter beobachten müssen.

Beth Jeans Houghton & The Hooves Of Destiny: Yours Truly, Cellophane Nose (Mute / GoodToGo)

(Wiener Zeitung, 17.2.2012)

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