Das Leben von Robin Gibb war ein Leben mit den und für
die Bee Gees. Gemeinsam mit seinem Bruder Barry als kreativer Motor und
Leadsänger aktiv, und, ergänzt um seinen 2003 verstorbenen Zwillingsbruder
Maurice, stellte der am 22. Dezember 1949 auf der Isle of Man geborene Musiker
nichts weniger als die erfolgreichste Geschwisterband der Popgeschichte: Mit
mehr als 200 Millionen Tonträgern, die das Trio Zeit seiner sechs Dekaden
umspannenden Karriere verkauft haben soll, waren die Bee Gees kommerziell noch
besser im Geschäft als etwa die Beach Boys, die sich mit Harmonie- und
Falsettgesängen zumindest stimmlich auf verwandtem Terrain bewegten.
Geboren in ärmlichen Verhältnissen, standen die
Gebrüder Gibb bereits im Volksschulalter auf der Bühne. Und sie feierten in
ihrer Wahlheimat Australien bald erste Achtungserfolge, die einen
Plattenvertrag und schließlich auch eine Rückkehr in die alte Heimat
ermöglichten.
Sauberes Image
Von dort aus ging es mit "New York Mining
Disaster 1941" oder dem von zartem Streicherschmelz getragenen Schlager
"Massachusetts" als erste große Hits 1967 allerdings noch wesentlich
trübsinniger zu, als es die spätere Inkarnation der Bee Gees als Disco-Band
vermuten ließe. Zwischen Beat-Einflüssen und sedierenden
Kaufhausbeschallungs-Klängen galt das Trio bald als Konkurrenz für die Beatles,
deren Hang zu Spaßzigaretten und LSD nicht die Sache der Gibb-Brüder war. Auch
in Zeiten des größten Erfolgs erhielten sich Robin, Barry und Maurice nicht nur
die Aura der Bescheidenen, sondern auch ein Image als Saubermänner.
Hochzeit in der Disco
1969 sorgten zwar künstlerische Differenzen um das
Album "Odessa" dafür, dass Robin Gibb das Trio verließ, um in eine
Solokarriere zu starten. Nach einer Aussprache aber kam es zur
Familienzusammenführung und zum Auftakt jener Phase, mit der die Bee Gees den
Sound einer Ära prägten: Während sie auf "Main Course" 1975 erstmals
weißen Soul und Synthie-Funk für die Disco regieren ließen, führten ihre
Beiträge zu John Badhams Tanzfilm "Saturday Night Fever" zwei Jahre
darauf und nach insgesamt mehr als zehn Alben endgültig zum Weltruhm – auch
dank der nun vollends auf Falsett gestellten Gesänge und dem lebensbejahenden
Gestus einer jederzeit tanzbaren Feiermusik.
Das Ende der Disco-Ära war auch für die Bee Gees
ein schweres Los. Anders als zahlreiche Kollegen erreichte die bis zum Tod
Maurice Gibbs kontinuierlich veröffentlichende Band aber auch danach noch ein
Millionenpublikum – mit "E.S.P." 1987 ein weiteres Mal im großen Stil
und zuletzt mit "This Is Where I Came In" im Jahr 2001.
Robin Gibb, 1994 in die "Songwriters Hall of
Fame" aufgenommen, engagierte sich parallel zu seiner Bandkarriere
karitativ und veröffentlichte insgesamt sieben Solo-Alben. Der Uraufführung
seines "Titanic Requiem" durch das Royal Philharmonic Orchestra konnte
der von einer Krebserkrankung bereits schwer gezeichnete Sänger im April aber
nicht mehr beiwohnen: Am Sonntag ist der vierfache Familienvater in London
gestorben. Er wurde 62 Jahre alt.
(Wiener Zeitung, 22.5.2012)

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