Dienstag, Oktober 10, 2006

Erwachsen durch die Jugend

Finn Andrews kommt mit seiner Band The Veils ins Wiener Flex.

Wien. Am Ende steht das Rauschen des Aufnahmegeräts. Finn Andrews, der als Sohn des XTC-Keyboarders Barry Andrews genetisch begünstigte Kopf der erst zwei Alben jungen Band The Veils, lässt die im September erschienene Arbeit "Nux Vomica" in einen kalmierenden Höhepunkt münden: Es braucht nicht mehr als den brüchig greinenden Gesang des jungen Mannes ("I wish you could see this, mama!"), ein paar Akkorde auf der akustischen Gitarre und ein leicht semmeltrenzerisches Akkordeon, um den Hörer in eine Welt der sanften Schwermut zu entführen.

Andrews definiert sein künstlerisches Selbstverständnis ganz offensichtlich über die großen Songwriter. Seine Kunst steht einem Nick Cave dabei näher als jüngeren Kollegen wie Travis oder Starsailor, mit denen sein Debüt "The Run away Found" 2004 noch verglichen wurde.

Finn Andrews ist 23 Jahre alt. Die Pubertät hat sein Schaffen nie durchwandert – und schon heute kann es nicht mehr erwachsener werden. Man vernimmt in "Jesus For The Jugular" einen auch mit Neil Young konform gehend rauen, von Produzent Nick Launay verantworteten Sound, der nicht zufällig auch an jenen des Cave-Albums "Abattoir-Blues" erinnert. Man frohlockt zu verspielten, akut lebensbejahenden Melodiebögen, die ihrerseits wiederum einem Badly Drawn Boy recht nahe stehen.
Hoch und Tief, Depression und Manie: Andrews schlendert und schlurft durch den Irrgarten der Empfindungen, und er beherrscht jede Lebenslage im gleichen, hohen Maße.

Diamant mit Kanten

Der 1983 in Großbritannien geborene und später als Scheidungskind in Neuseeland aufgewachsene Musiker schleift auf "Nux Vomica" kleine Diamanten, indem er seinem auch auf dem Erstling schon tollen, aber bisweilen unter der recht gewöhnlichen Deutung als Gitarrenpop leidenden Songwriting mit neuer Bandbesetzung die nötigen Ecken und Kanten verleiht – ohne aber auf die obligatorisch aus allen Tönen quellenden Harmonien zu verzichten.

Die Liebe zum Detail sowie eine beeindruckende Sensibilität für Stimmungen verleihen den Liedern hier ihr "Mehr". Und adeln Andrews zu einem der spärlichen Hoffnungsträger seiner Generation. Man wird – so viel steht fest – noch von ihm hören.

(Wiener Zeitung, 11.10.2006)

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