Dienstag, November 27, 2007

Ein Wunder, das ausbleibt

Rock ’n’ Roll! Die seit dem Vorjahr von David Yow unterstützten Qui aus Kalifornien gastieren in der Szene Wien.

Wien. Wenn es wieder einmal um Rockmusik gehen soll, die als Königin des niederen Instinkts bis zum Hals im Schlamm des triebhaft Animalischen, verstörend Aggressiven und bewusst Primitiven steckt, sind wir bei David Yow nicht ganz falsch. In den 90er Jahren verstärkte der Mann mit donnerndem Sprech-, Brüll- und Kreischgesang nicht nur den von kratzenden Noise-Gitarren, mächtigen Bassspuren und einem schwer abfeuernden Schlagzeug getragenen, bedrohlich-zornigen Habitus des verdienten US-Undergroundtrios The Jesus Lizard, dem er als Sänger vorstand.

Neue Perspektiven

Vor allem inszenierte sich der aus Las Vegas gebürtige Musiker bei zuviel Alkohols wegen sprichwörtlich echt fett und bisweilen nackt absolvierten Konzerten als kompromissloser Saubartel, der Rock ’n’ Roll als Konfrontation und Provokation verstand. Nichts für schwache Nerven ...

Nach zehn Bestandsjahren und sechs eingespielten Alben – vier davon unter Regie der Produzentenkoryphäe Steve Albini, der sich stets als glühender Jesus-Lizard-Fan bekannte – trennte sich die Band 1999. Heute feiert Yow, der seinen Lebensunterhalt in den Folgejahren als Grafiker verdiente, ein nicht mehr erwartetes und ungewöhnliches Comeback. Immerhin fängt er als Frontmann einer Band namens Qui quasi noch einmal bei null ein.

"Quasi", weil Qui als zur Jahrtausendwende von Paul Christensen und Matt Cronk in Los Angeles gegründetes Duo mit ihrem Debütalbum "Baby Kisses" 2003 und dem darauf gereichten Amalgam aus Metal- sowie Punkeinsprengseln und einem durchaus vom Experiment her kommenden Zugang zwar nur eine sehr bescheidene Öffentlichkeit erreichen konnten. Alleine der Einstieg Yows im Vorjahr eröffnete der Band aber neue Perspektiven. So wurde "Love’s Miracle", der nun vorliegende Zweitling, bereits auf Mike Pattons renommiertem Ipecac-Label veröffentlicht und international vertrieben.

Dass diese Arbeit mit einer Coverversion des Pink-Floyd-Klassikers "Echoes" auch ruhigeres Material zu bieten hat, sollte uns wie auch ihr sanftmütiger Titel nicht auf falsche Gedanken bringen. Es wird auch heute noch gelärmt. Und, so Yow in einem Interview: "Eigentlich sollte das Album "Pussy Cheeks" heißen." Alles beim alten, also.

(Wiener Zeitung, 28.11.2007)

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