Donnerstag, April 03, 2008

Brünftige Elche auf Speed

Mit Vollgas Richtung Unvernunft: Die schwedische Band The Hives in Wien

Die österreichische Ausnahmeband Naked Lunch brachte es 2006 auf den Punkt, indem sie auf ihrem Album "This Atom Heart Of Ours" konstatierte: "We don't need entertainment. We entertain ourselves!" Diese Weisheit gilt für die schwedische Band The Hives und deren am Mittwochabend im Wiener Gasometer zur Schau gestellten, eben gerade auf die kleine Kunst der großen Unterhaltung schielenden Rock 'n' Roll freilich nicht. Das Quintett, das sich ebenso wie seine Landsleute von Mando Diao gerne als bestes der Welt bezeichnet - Die Hölle, das sind die anderen! - baut spätestens seit seinem 1997 erschienenen, und, weil man als Jungspund das Blut nur ungern im Hirn hat, mit dem Porno-Blödsprech kokettierenden Debütalbum "Barely Legal" vor allem auf die Pole Schall und Rauch.

Man verstand sich als Reinkarnation klassischer Garage-Rock-Bands aus den 60er-Jahren und stylte sich samt frech stehengelassenem Oberlippenbart, Schmalzlocke und in schwarz-weiß gehaltenen Maßanzügen wie eine aus amerikanischen Teenie-Schmonzetten her bekannte Tanzkapelle für allfällige Abschlussbälle, also als old-fashioned Feschaks. Man entspann die Mär von einer Figur namens Randy Fitzsimmons, die die Band zueinander geführt haben und bis heute als deren Songwriter dienen soll. Man fand in Pelle Almqvist einen zur Massenanimation tauglichen Dampfplauderer, aus dem ein perfekter Alleinunterhalter hätte werden können, wäre er nicht den Hives beigetreten. Dessen Stimme ist es auch, die aus dem Richtung Tinitus und Ohrenkrebs weisenden Soundbrei im Gasometer hervorsticht und prägnant darlegt, warum seinem Namen der Adelstitel "Howlin" anhaftet.

Derb einfache Riffs

Man muss diese Truppe bei Gott nicht ernst nehmen. Weil Humor aber auch bedeutet, dass man trotzdem lacht, werden wir uns heute prächtig, also zu Tode amüsieren. Immerhin knüpfen Schlagzeug und Bass hier harte Bande; darüber legen John-Candy-Look-Alike Vigilante Carlstroem und Nicholaus Arson ebenso derbe wie derb einfache Riffs, die wir alle auch nachspielen könnten, ohne je einen Blick in Peter Burschs Gitarrenbuch für Anfänger riskiert zu haben.

In oft nur knappen, mit Bleifuß vorwärts preschenden Zweiminütern wie "Main Offender", dem die Halle aus dem Häuschen bringenden "Two-Timing Touch und Broken Bones" und einem zwischen Irish-Pub- und Bierzelt-Gegröle angesiedelten "Return The Favour" hören wir zwar etwa zwanzig Mal den gleichen Song. Der aber schreit immerhin "Gib ihm!". Und klingt, wie man sich brünftige Elche auf Speed oder ADS-Kinder im Espressodelirium vorstellt.

So viel Unvernunft muss man während einer knapp 75-minütigen Dauerbierdusche jedenfalls erst einmal unterbringen: "Vienna, bist du fertig?" Und wie!

(Wiener Zeitung, 4.4.2008)

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