Der schwedische Schmerzensmann Jay-Jay Johanson veröffentlicht mit "Self-Portrait" sein bisher schwierigstes Album.
Schon das Cover spricht Bände. Jay-Jay Johanson, der gleich selbst als Model für "Self-Portrait", sein mittlerweile siebentes Studioalbum posiert, fährt sich mit dem Handrücken an die Stirn und setzt als schlecht rasierter Schwerenöter mit Vorliebe für weit aufgeknöpfte Freizeithemden einen Blick auf, der keine Zweifel lässt. Ja, hier leidet jemand an den Verhältnissen. Und er stellt sich während eines ausgiebigen Bades im Selbstmitleid die entscheidende Frage: Warum geht es mir so dreckig? Warum geht es mir so schlecht?
Dergleichen ist für mit dem Œuvre des heute 39-Jährigen Vertraute nichts Neues, schließlich setzt der aus der schwedischen Kleinstadt Trollhättan gebürtige Musiker seit seinem Debütalbum "Whiskey" aus dem Jahr 1996 bevorzugt auf die Themen Verlustschmerz und Einsamkeit. Dagegen ist zwar bis heute kein Heilkraut gewachsen. Im Gegensatz zum Maronibrater von nebenan besitzen Künstler allerdings das Privileg, der Schmerzquelle durch ihre Arbeit den Garaus machen zu können, dürfen, müssen – Katharsis und so. Dass Johanson um Nämliche noch ringt, zeigt eine nicht enden wollende Songliste mit Titeln wie "It Hurts Me So", "The Girl I Love Is Gone", "She’s Mine But I’m Not Hers", "Alone Again", "Colder (I Want You No More)", "Suffering", "She Doesn’t Live Here Anymore", und, und, und.
In Zeiten der Hochkonjunktur des Wortes "Krise" wandelt sich die Welt aber auch für Johanson nicht zum Besseren. So bewegen sich die Texte auf "Self-Portrait" auf gewohntem Terrain, musikalisch setzt der Edel-Crooner aber noch eins drauf. Die zehn neuen Stücke, die auch für Johansons Verhältnisse ungemein introspektiv und zurückgenommen ausgefallen sind, vereinen sich zu seiner bisher schwierigsten Arbeit.
Nach den leicht angejazzten Songs seines Debüts, dem schweren TripHop auf "Poison", den gewöhnungsbedürftigen Ausflügen in Richtung Synthie-Pop, Blubber-Elektronik und French-House auf "Antenna" und "Rush" sowie dem Edelpop auf "The Long Term Physical Effects Are Not Yet Known", dominieren heute Beserlschlagzeug, schwer gesetzte Klavierakkorde in sattem Moll und wahlweise vorsichtig aufgetragene oder melodramatisch angelegte Streicherarrangements.
"Wonder Wonders", die erste Singleauskoppelung, darf als durchaus charakteristisch für das Klangbild des gesamten Albums bezeichnet werden, das nicht zuletzt mit traurig angehauchten Balladen für einsame Barhocker aufwartet.
Während man Johansons früheren Aufnahmen vorwerfen kann, sich mit etwas gar zu süßen Arrangements nahe am Kitsch zu bewegen, durchbricht der Schmerzensmann die tragische Schönheit seiner neuen Lieder unter Mithilfe von Magnus Frykberg (Schlagzeug), Erik Jansson (Klavier) sowie des amerikanischen Gitarristen Jeff Rian nun gekonnt mit Störgeräuschen ("My Mother’s Grave") und disharmonischen Spurenelementen.
Daneben glänzen die knapp einminütige Klavierminiatur "Liar", das Beziehungsgewalt thematisierende "Broken Nose" oder das kantige "Autumn Winter Spring", bei dem Johanson gleich eingangs fleht: "Oh please, can anybody help me?" Aber: Gegen diese Krise gibt es keine Konjunkturspritze.
Jay-Jay Johanson: Self-Portrait (EMI)
(Wiener Zeitung, 7./8.3.2009)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen