Freitag, Januar 22, 2010

Die Auferstehung des Toten

Die Jackson-Gedächtnisshow "Thriller – Live" feierte in Wien Premiere

Es beginnt mit einem Rührstück. Michael Junior steht als putziger Kinderstar inmitten der Bühne und intoniert, flankiert von seinen Sanges- und Tanzkollegen der Michael-Jackson-Gedächtnisshow "Thriller – Live", die Ballade "Gone Too Soon". Michael Jackson, der König des Pop – gone too soon? Es kann und darf nicht sein.

Einerseits. Andererseits wusste Papa Jackson schon bald nach dem Tod seines einst eigenhändig zum Erfolg geprügelten Sohnes auch eines: "Tot ist Michael mehr wert als lebendig." Der Zynismus der Unterhaltungsbranche kennt keine Grenzen. Und Geld verdient sich nicht von selbst.

Es geht also mithilfe von Best-of-Zusammenstellungen, im Archiv entdeckten, unveröffentlichten "Exklusiv-Aufnahmen", einem Konzertfilm, einer Sing- und Tanzshow und, und, und also auch darum, den "King of Pop" niemals in Frieden ruhen zu lassen.

"Thriller – Live" ist somit nur ein Glied in der endlosen Verwertungskette aus dem Erbe des Popstars. Allerdings ist die Produktion, die bereits 2006 in London Premiere feierte, in ihrer Ausformung symptomatisch. Die als "langfristig geplant" verkaufte Europa-Tour wird von den posthumen Vorzeichen freilich begünstigt.

Wir erleben nun also auch in Wien eine freundliche Propaganda-Show der Neigungsgruppe "Michael Jackson war der größte Entertainer aller Zeiten". Nebst auf der Videowall abgespielter Gehirnwäsche leistet ein auch moderierender Sänger diesbezüglich allerbeste Arbeit. Allerdings zwingt ihn ein Sprachfehler dazu, "Michael Jackson" immer als "M! I! C! H! A! E! L! J! A! C! K! S! O! N!!!!" zu bezeichnen.

Wir erleben den Nämlichen als schwarzen Kinderstar, als schwarzen Teenieschwarm wie als weißen Erwachsenen, der "Black Or White" intoniert. Und wir werden zu seinen größten, von einer hinter der Leinwand versteckten Band brav abgespulten Hits mit den Jackson 5 und später als Solokünstler Zeugen seiner schillerndsten Outfits und seiner geilsten Frisuren, ehe es zum eigentlichen Höhepunkt des Abends kommt. Das Ex-Mausi und gefühlte 500 weitere Zombies der österreichischen Unterhaltungsbranche buhlen in der Pause um die Gunst der öffentlich-rechtlichen Society-Formate.

Im zweiten Teil mündet die Glorifizierung Jacksons mit "Heal The World" und "Man In The Mirror" in der Erkenntnis, dass unser Held ein ehrenwerter Mann war, in dessen Palästen immer die Sonne schien. Die Tänzer demonstrieren, dass sie ihre Moves gelernt haben. Neben der tatsächlich beeindruckenden Choreografie von "Billie Jean" kommt es schließlich zum gemeinschaftlichen Moonwalk. Ein Abend für die ganze Familie!

(Wiener Zeitung, 22.1.2010)

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