Mittwoch, Februar 10, 2010

Romantik ohne Pathos

Herz ist Trumpf: Element Of Crime aus Berlin gastierten im Gasometer

Mit dem besten Freund ist es so: Wenn er beim abendlichen Austausch zwischendurch auch einmal nervt, so ist das im Grunde egal. Am Ende freut man sich doch, wenn er länger bleibt. Auf ein Wort, ein Bier.

Ähnlich verhält es sich am Dienstag mit Element Of Crime. Die Band um Sven Regener, deren Lieder selbst die Aufgaben eines besten Freundes erfüllen, bei dem man sich ausplärren kann, wenn mal wieder ein Malheur passiert ist, oder mit dem man, langsam und vorsichtig, zu neuen Ufern aufbricht, wenn die Kraft sich zurückgeschlichen hat, schreibt schon lange entweder gute Songs – oder bessere. Nachzuhören auf frühen Meisterstücken wie "Weißes Papier", Reifeprüfungen wie "Romantik" oder dem gelassenen Spätwerk mit dem aktuellen Album "Immer da wo du bist bin ich nie".

Bei ihrem Konzert im ausverkauften Gasometer setzt die mit Christian Komorowski an der Geige zum Quintett angewachsene Formation auf die guten Songs – und untergräbt damit auch die Erwartungen derer, die wegen der Klassiker gekommen sind. Man merkt es zwischen weniger bekanntem Material wie "Über dir der Mond" oder dem zur Erinnerung an die englischsprachigen Anfänge gereichten Block mit "Death Kills" an der bis zum Zugabenteil eher gedämpften Stimmung.

Allerdings führt die Band ihr Œuvre, in dem Herz Trumpf, der Mond voll und das nächste Bier beim "Würstchengrill unten am Fluss" nie weit ist, mit technisch präzisen Deutungen live endgültig zur Meisterschaft. Diesbezüglich sei das beeindruckend facettenreiche Spiel Jakob Iljas an der Gitarre ebenso hervorgehoben wie die zuletzt verstärkt in Richtung Folk und Country im Sinne Bob Dylans schielende Mundharmonika. Oder der nicht nur unterschwellige Gringo-Gestus auf Mariachi-Basis und Regeners Angewohnheit, wie der traurigste Seemann am Hamburger Hafen so herzerweichend ins Blech zu tröten, dass selbst den gestandensten Mannsbildern der Knödel im Hals stecken bleibt. Sven Regener findet das "stark". Und er verkündet mit geballten Fäusten seinen gewohnt augenzwinkernden Schlachtruf: "Romantik!"

Zu gerne im Dreiviertel- oder Sechsachteltakt wippenden Liedern vermisst die Band das Fach großer Emotionen angenehm pathosfrei. "Weißes Papier", "Delmenhorst", "Damals hinterm Mond": Immer melancholisch zu sein bedeutet auch, dass für Depressionen keine Zeit bleibt. "Und hoffen dürfen wir solange, wie sich der Motor dreht". Ein Triumph der Gefühle!

(Wiener Zeitung, 11.2.2010)

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