Dienstag, März 09, 2010

Denn Irren macht Spaß!

La Roux, Adepten des Synthie-Pop der frühen 80er, gastierten in Wien

Im November des Jahres 1981 verließ Vince Clarke Depeche Mode. Er ermöglichte Martin Gore damit eine der erstaunlichsten Songwriter-Karrieren im Pop der 80er und 90er Jahre und nistete sich selbst mit Bands wie Yazoo und Erasure über fiep! , pieps! , quietsch! und dulijöh ! auf immer und ewig im Schmalz eines Genres ein. Sein noch für Depeche Mode geschriebenes Album "Speak & Spell" gilt diesbezüglich bis heute als Standardwerk.

Knapp 30 Jahre später nimmt das britische Synthie-Pop-Duo La Roux daraus stammende Songs mit geänderten Namen neu auf. "Shout", "Ice Machine" und ewige Klassiker wie "Puppets" oder "Boys Say Go!" heißen nun "Fascination", "Bulletproof" oder "In For The Kill". Kurz: Lieder, an die sich Martin Gore auch dank Heineken, Tuborg und Erdinger Weißbier nicht mehr so recht erinnern mag, gelten der Jugend von heute als strahlende Juwele einer goldenen Zeit. Das ist ein Irrtum. Und La Roux lehren uns: Irren macht Spaß!

Das untermauert Sängerin Eleanor Jackson mit drei Live-Musikern, aber in Abwesenheit ihres bühnenscheuen Bandkollegen Ben Langmaid im Rahmen einer Welttournee derzeit auch live. In Wien darf eine bezüglich Hype-Schau aufgescheuchte Meute inklusive Mörtel, Katzi und dem Kamerateam von Schund TV mangels Material zwar nur knapp 50 Minuten lang Party machen. Dank eines für die Saison geschmiedeten und vor allem über Youtube und den Werbespot für mehr Bumm-Tschack am Mobiltelefon rezipierten "Gesamtwerkes", das den Drang zur schnellen Konsumation also bereits in sich trägt, ist das aber auch gar kein Problem. Im Gegenteil.

Melancholisches Kniezucken

Eleanor Jackson, die mit ihrem Haarschopf aussieht wie ein Nymphensittich im Boy-George-Gedächtnis-Sakko, boxt sich in keckem Disco-Dancing durch zuckerlfarbene Bühnennebel. Und sie bringt uns mit live um viel Bass erweiterten Liedern, in denen das harte Los eines "achy-breaky hearts" unterschwellige Sehnsüchte durch die Halle böllert, auch selbst dazu, melancholisch mit dem Knie zu wippen. Dass die Musik zumeist klingt, als würden Kermit der Frosch und Bernd das Brot nach einer Überdosis Crack die Titelmelodie fürs Kinderfernsehen aufnehmen – würdig und recht. Allerdings gewinnt uns die Band letztlich mit ihrem Gespür für Songstrukturen für sich. Lieder wie "Fascination" oder "Colourless Colour" würden so auch auf der akustischen Gitarre funktionieren.

Nach zehn eigenen Stücken und einer Coverversion des Stones-Hadern "Under My Thumb" ist dann aber schon Schluss. Zum Trost für die ganz Harten erscheint demnächst das neue Album von Goldfrapp. Darauf erleben sogar Van-Halen-Synthies ihren zweiten Frühling.

(Wiener Zeitung, 10.3.2010)

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