Mittwoch, März 17, 2010

Die stillen Freuden des Alleingangs

Kyp Malone von TV on the Radio gastiert mit seinem Soloprojekt in Wien.

Wien. Im Jahr 2001 formierte sich in Brooklyn, New York, dem unangefochtenen Epizentrum popmusikalischer Grenzlandforschung einer namenlosen Dekade, eine Band unserer Zeit: TV on the Radio um Tunde Adebimpe, Kyp Malone und David Sitek servierten auf Alben wie "Desperate Youth, Blood Thirsty Babes", "Return To Cookie Mountain" oder zuletzt auch mit "Dear Science" entfesselte Stil-Aufläufe als eklektische Leistungsschauen. Nicht umsonst bekannte sich auch ein gewisser David Bowie früh als Fan – und wurde bald zum Förderer.

Schwarze Musiken wie Soul, Funk, Gospel und Blues wurden mit weißem Rock’n’ Roll kurzgeschlossen, während Free-Jazz-Elemente aus Industrial-Sounds ragten und sich Dancefloor-Kompatibilität und Rock-Göttertum nicht länger ausschlossen. Das war – und ist – nichts weniger als State of the Art und garantierte der Band in den Bestenlisten der Nullerjahre einen fixen Podestplatz.

Heimlich, still und leise

Während David Sitek sich im Weiteren als Produzent um illustre Freunde wie Scarlett Johansson, Yeah Yeah Yeahs, Foals oder Telepathe kümmerte und Tunde Adebimpe sich im Fach der Musikvideogestaltung oder als Gastsänger etwa bei den Bristoler Trip-Hop-Veteranen Massive Attack versuchte, bastelte Malone heimlich, still und leise an einem in der Flut an Veröffentlichungen beinahe untergegangenen Solowerk. Unter seinem Alias Rain Machine kredenzte der bei seiner Stammband für die Ausübung von Wolfsgeheul bei gleichzeitigem Gitarrenspiel zuständige Afro- und Vollbartträger weitestgehend zurückgenommenes Liedgut, das seine Wurzeln in der Black Music beinahe noch stärker betonte.

Fokussiert auf vorsichtig angeschlagene Gitarren und Banjo sowie sparsam beigestellte Percussions, dominieren dabei melancholische Zwischentöne und atmosphärische Aufbauarbeiten ("Driftwood Heart"), die Malone gerne mit seinen markanten Falsett-Gesängen durchdringt; bei zeitweiliger Verschrobenheit und bewusst ausgestellten Ecken und Kanten bleibt das Album aber doch zumeist zugänglich. An die quasi-hymnische Kraft seiner Band schließt Malone am ehesten mit "Hold You Holy" an, während er bei "Give Blood" den Bass tiefer legt, um die Stromgitarren zu perkussivem Rasseln, Scheppern und Schellen aufgekratzt quengeln zu lassen. Und wie! Das ist zumindest unterschwellig funky und sollte auch live zum Tanz motivieren.



Was man dem Album aber in jedem Moment anhört: Malones Freude darüber, in Abwesenheit seiner Kollegen Kreativraum für sich zurückzuerobern und künstlerisch keinen Kompromiss eingehen zu müssen. Dazu spielte der Musiker in bester Heimwerker-Manier auch fast alle Instrumente im Alleingang ein – nur live lässt er sich von einer Band unterstützen. Nachzuhören demnächst in der Szene Wien: Nicht nur für Freunde von TV on the Radio ein Pflichttermin!

30. März, 20 Uhr, Szene Wien

(Wiener Zeitung, 18.3.2010)

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