Die österreichische Ausnahmeband Attwenger feiert ihren 20. Geburtstag in der Arena
Vor zwanzig Jahren verfügten sich Hans-Peter Falkner und Markus Binder nach Wien. Die Musikanten aus Linz, frisch vermählt als Attwenger, gaben in der hiesigen Arena ihr erstes Konzert – und legten zur nicht unbedingt christlichen Zeit von drei Uhr morgens den Grundstein für eines: Erstmals wurde Volksmusik zwischen Gstanzldichtung und Andachtsjodler, Landler und Zwiefachem erfolgreich in die Moderne überführt und solchermaßen zu einem originär-originellen Pop-Entwurf verwandelt.
Trotz vergleichbarer Versuche – zuletzt bemühte sich etwa der Grazer Musiker Rainer Binder-Krieglstein alias Binder & Krieglstein auf seinem Album "New Weird Austria" darum, heimische Folklorismen in sein Werk einzuflechten – sollten Attwenger die Einzigen bleiben, denen dieser Brückenschlag glaub- wie dauerhaft und auch musikalisch überzeugend gelang.
Es ging also bereits auf frühen Arbeiten wie "Die Kiah", "Most" oder "Pflug" darum, am Land mit der Muttermilch aufgesogene und später im ersten Mostrausch auch selbst intonierte Klassiker der Brauchtumspflege("Buama steht’s zomm im Kroas .. .") mit Schlagzeug und Punk-Attitüde einmal ganz anders zu deuten – und die vor dem Hintergrund sämtlicher Trachtenvereine von Schärding bis Braunau und darüber hinaus als reaktionär empfundene Volksmusik nicht bloß zu entstauben. Das gelang Attwenger über die baldige Erweiterung ihres Klangspektrums mit zu psychedelischem Noise verzerrter Harmonika, genuin "schwarzen" und vom Hip-Hop her kommenden Beats oder elektronischen Klangspielen ohnehin.
Nachdem sich die Band weitestgehend davon befreit hatte, Volksweisen als Rohmaterial zu verwenden, um stattdessen selbst die Autorenschaft zu übernehmen, sorgte sie im Jahr 2002 für nichts weniger als das Comeback des Protestsongs. Mit dem zornigen Dreiminüter "kaklakariada" bündelte sie ihren Frust über das sogenannte Wendejahr 2000 und dessen Nachwehen bezüglich KHG & Co.
Ganz nebenbei wurde das dazugehörige, von Mario Thaler (Lali Puna, The Notwist, Console .. .) in Weilheim produzierte Album "Sun" auch dank einer fruchtbaren, im Fahrwasser des "Balkan-Booms" freudig angenommenen Zusammenarbeit mit dem Boban Markovic Orkestar zu einer Perle im Werkkatalog. Den dafür erhaltenen Musikpreis Amadeus als "FM4-Alternative-Act" nahmen Attwenger gewohnt trotzig in Empfang. Und lieferten mit einer knapp gehaltenen "Dankesrede" nicht nur zwecks Imagepflege die Antithese zur Veranstaltung.
Trotz einer vor allem dem Groove verpflichteten Karriere, die sich auf im oberösterreichischen Dialekt ebenso wie englisch lesbaren Alben wie "Song" oder zuletzt "Dog" aus 2005 verfestigte und internationale Konzertreisen bis nach Sibirien, Pakistan oder Mexiko zeitigte, blieben Attwenger das sture Bollwerk in einer zunehmend schnelleren Welt.
Speed kills
Mit einer nur als oberösterreichisch zu bezeichnenden Verschlurftheit, die das zwischen Zerdehnung und Verknappung pendelnde Duo durch Betrachtungen wie "Es wird wieda woam werdn" und "Do geht wer ... do kummt ana" trieb, ging es auch immer darum, möglichst nicht zu hudeln. Speed kills. Und überhaupt.
Pünktlich zu ihrem nun gefeiert werden wollenden 20-Jahre-Jubiläum informiert die Band, deren Schaffen mit Wolfgang Murnbergers "Attwengerfilm" sowie Markus Kaiser-Mühleckers "Attwenger Adventure" bereits zweimal filmisch festgehalten wurde, daher präzise: "Zurzeit arbeiten Attwenger an ihrem 7. Studioalbum, das umgehend veröffentlicht werden wird, wenn es fertig ist." Alles Gute, und: Spüt’s auf, Buam!
(Wiener Zeitung, 23.4.2010)
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