Freitag, Juni 11, 2010

Der Entertainer

Chris Isaaks spätes Österreich-Debüt in der Szene Wien

Seinen größten Hit bot Chris Isaak beiläufig dar: Im tropischen Klima der Szene Wien reihte er „Wicked Game“ zwischen forsche Versionen von „Speak Of The Devil“ und „Go Walking Down There“, ließ ihn also etwas deplatziert in der Setlist erscheinen.

Seit sich der Crooner im Video zu diesem Übersong mit Helena Christensen am Strand räkelte, steht das Produkt synonym für seinen Schöpfer – und umgekehrt. Wer den heute 53-Jährigen darauf reduziert, hat allerdings nichts verstanden. Bereits auf „Silvertone“, seinem Debüt aus 1985, gefiel Isaak mit einer Melange aus Rockabilly und Schmalzballaden, die ihn zwischen Elvis Presley oder dem großen US-Tragöden Roy Orbison verorteten. So galt der Sänger, noch ehe David Lynch eine Instrumentalversion von „Wicked Game“ für seinen Film „Wild At Heart“ verwendete, selbst als Schwerenöter mit auf ewig gebrochenem Herzen; als Leidensmann, der Leiden kann – wie oft das Wörtchen “lonely” deshalb in die Songtexte einfloss, wer mag es zählen?

In Wien blieb davon nicht allzu viel übrig. Isaak, ganz Entertainer, durchbrach sein Œuvre mit dem Charme eines geselligen Schmähbruders. Flankiert von seiner in schwarzer Einheitsdress gekleideten Band, witzelte der Schönling im türkisen Las-Vegas-Sakko über die Ähnlichkeiten zwischen Texas und Wien oder die alte Mann-Frau-Sache – und intonierte im Publikum „Love Me Tender“, wobei es dem Umschmeichelten entfuhr: „Please don’t stop touching me!“

Dabei blieb der Abend altmodisch im besten Sinn. Gemeinsam mit Rowland Salley (b) und dem grandiosen Hershel Yatovitz (g) führte Isaak latent patinierte Choreographien vor und stellte mit Material aus dem aktuellen Album „Mr. Lucky“, vertreten etwa durch den Western Swing „Take My Heart“, seine positive Geisteshaltung zur Schau. Selbst Songs wie „One Day“, mit denen sich Isaak zu Beginn der Nullerjahre in Richtung Mainstream-Rock modernisierte, gingen live auf und ließen das Publikum begeistert zurück. Im Zugabenteil bejubelt: Das gottverlassene „Blue Hotel“, Roy Orbisons „Pretty Woman“ und „Blue Spanish Sky“, von Kenney Dale Johnson zart aus den Fellen gewischt.

(Wiener Zeitung, 12./13.6.2010)

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