Der texanische Singer/Songwriter Micah P. Hinson präsentiert sich mit Album Nummer fünf auf der Höhe seiner Kunst.
Ähnlich wie bei dem aus Iowa stammenden Folk-, Country- und Blues-Sänger William Elliott Whitmore ("Ashes To Dust") muss man auch über das Alter von Micah P. Hinson zuerst einmal staunen: Der heiser bis gebrochen klingende Bariton des aus Memphis, Tennessee, gebürtigen und später in Texas aufgewachsenen Singer/Songwriters ließe durchaus auf einen Musiker schließen, der sich langsam Gedanken über den Ruhestand machen könnte. Allerdings ist Hinson mit Geburtsjahr 1981 ein Jungspund vor dem Herrn.
Und auch der Output des Musikers lässt keinen Rückschluss auf sein Alter zu. Vier Arbeiten mit eigenen Songs sowie das Coveralbum "All Dressed Up And Smelling Of Strangers", auf dem Hinson persönliche Lieblingssongs aus der Feder von Leonard Cohen, Bob Dylan oder Elvis Presley neu deutete, sind seit seinem Debüt im Jahr 2004 schon entstanden.
Das ist auch insoferne erstaunlich, als Hinson auf eine problematische Vergangenheit zurückblickt – wir haben es mit einem "troubled young man" im schlechtesten Wortsinn zu tun. Bereits in seiner Jugend medikamentenabhängig, folgten bald Geldsorgen und Obdachlosigkeit. Mit knapp 20 Jahren schien es um Micah P. Hinson schlecht bestellt. Das muss man als einerseits tragisch, andererseits als gewinnbringend bezeichnen, schließlich vergießt der Sänger als Liedermacher der alten Schule mit Hang zur mindestens dunkelgrauen Grundstimmung nicht das Kunstblut eines naseweisen Privilegienritters.
Hinson, der in seiner Musik eine Möglichkeit fand, die Dämonen im Zaum zu halten, weiß, worüber er singt; seine zwischen depressiver Aussichtslosigkeit und melancholischer Verstimmung changierenden Lieder sind nicht erdichtet, sie sind das Leben, verdichtet zu kleinen, großen Songs, die nichts beschönigen.
Diesen Verdacht legt bereits das Cover des nun vorliegenden Albums "Micah P. Hinson And The Pioneer Saboteurs" nahe, auf dem uns zwei entschlossene Frauenarme eine Pistole entgegenstrecken. Während man solchermaßen bereits hagelndes Blei erwartet, schlägt das eröffnende "A Call To Arms" aber eine andere Richtung ein: Sanftmütig greinen die Streicher, ehe Hinson mit dem lyrischen "Take Off That Dress For Me" die Arbeit an der akustischen Gitarre aufnimmt. Generell bilden die heute stärker im Rampenlicht stehenden Streicher- und Bläser-Arrangements den großen Mehrwert des Albums. Sie unterstützen das konzise Songwriting Hinsons und unterstreichen mit Nachdruck die Gänsehautmomente. Davon gibt es einige – etwa, wenn der Sänger auf einem Schlüsselstück wie "My God, My God" fleht: "God, why did you lead me down here? Broken, empty and all alone . . ."
Aber auch das ästhetisch nahe an Kurt Wagners Edel-Combo Lambchop gebaute "The Letter At Twin Wrecks" oder "The Hero Will Never Hang", das etwa auch dem späten Johnny Cash gut angestanden wäre, dürfte bei jedem Freund dieses Genres auf Heavy-Rotation laufen. Kurz: Uneingeschränkte Empfehlung – auch und vor allem für die Konzertveranstalter der Stadt! Micah P. Hinson And The Pioneer Saboteurs (Fulltime Hobby / Pias)
(Wiener Zeitung, 26./27.6.2010)
Freitag, Juni 25, 2010
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