"Kronen Zeitung"-Dokumentation läuft nun wieder im Kino: Noch bis Freitag im Top Kino Wien
Wien. Nathalie Borgers kritischer Dokumentarfilm "Kronen Zeitung – Tag für Tag ein Boulevardstück" ist nicht nur erhellend, was Hans Dichands "Regentschaft" in der "Kronen Zeitung" und die Machtstrukturen im Haus in der Muthgasse betrifft. Vor allem gelingt dem Film nichts weniger, als etwas auf den Punkt zu bringen, das man als "österreichische Verhältnisse" bezeichnen mag.
Dass wir es dabei mit schlampigen Verhältnissen zu tun haben, beweist bereits eine schöne Nebenanekdote: Nachdem die Dokumentation im Jahr 2002 auf arte erstausgestrahlt wurde, suchte man den deutsch-französischen Sender vergeblich im TV-Programm der "Kronen Zeitung" – er wurde für einige Jahre verbannt. Der ORF verzichtete vorauseilend auf eine Ausstrahlung des Films – die Macht Dichands, der sich im Film nur im Vorhof der nämlichen wähnt, und, wie er behauptet, viel lieber daheim seinen Hund streichelt, hatte erneut zugeschlagen.
Nach dem Tod Dichands am 17. Juni dieses Jahres porträtierte der ORF Hans Dichand zu Recht als erfolgreichen Blattmacher. Und wenn auch kurz auf die Konflikte des "Alten" mit seinen Miteigentümern eingegangen wurde, vermisste man daran dennoch so manches: Kampagnenjournalismus und Hetze in Versform wurden mit keinem Wort erwähnt.
Nathalie Borgers Film hingegen kam dem Wesen der Zeitung äußerst nahe. Dichand, der geglaubt haben muss, Borgers würde ein Loblied auf die "Krone" anstimmen, erzählt darin ebenso freimütig wie die Redakteure des Blattes. Der für seine Gedichte "In den Wind gereimt" berüchtigte Hausdichter Wolf Martin stellt seine martialischen Gemälde vor und gibt Einblicke in seine Privatbibliothek: "Kunst und Kultur im Dritten Reich" und gesammelte Reden Adolf Hitlers befinden sich darunter. Dichand selbst spricht von der "Krone" als tierfreundlichster Zeitung des Landes, begeistert halten die Redakteure "Lesungen" aus ihren Texten. Heide Schmidt wendet sich mit kritischen Betrachtungen an das Publikum, und vor allem Erhard Busek gibt als einstiges Opfer Catos Einblicke in das "Campaigning" des Blattes.
Duckmäusertum
Auf beschämende Weise hält der Film aber vor allem eines fest: das Duckmäusertum vor Dichand, das sich nicht nur in der Redaktion, sondern auch in der politischen Landschaft verfestigte. In der Hofburg kommt es schließlich zum legendären Guglhupfessen Dichands mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Dichand: "Er möchte wissen, wie wir über verschiedene Dinge denken, und es ist für mich auch interessant, wie er denkt, natürlich."
Man braucht schließlich eine Meinung, nach der man sich richten kann. Das führt der Film auf unterhaltsame Weise vor. Unterhaltsam heißt: traurig.
(Wiener Zeitung, 6.7.2010)
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2 Kommentare:
... und arte wurde wieder ins TV-Programm der Krone aufgenommen - allerdings noch zu Lebzeiten Catos
@anonym: richtig, diese wiederaufnahme impliziert der artikel aber auch. der sender "wurde für einige Jahre verbannt", so steht es geschrieben. mfg
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