Prince veröffentlicht sein neues Album "20Ten" wiederum als Zeitungs- und Magazinbeilage.
Vor seinem fulminanten Wien-Konzert musste man sich zuletzt wieder Sorgen machen um Prince. In einem Interview mit dem britischen "Daily Mirror" ließ der 52-Jährige mit einer schon jetzt legendären Äußerung aufhorchen: "Das Internet ist vorbei", dekretierte der Musiker, der das World Wide Web anschließend mit MTV verglich – weil: "Einst war MTV hip, bald aber schon überholt."
"Ausgerechnet!", mochte man ausrufen. Immerhin machte sich Prince das Internet einst selbst zu eigen, um seinem Wunsch nach größtmöglicher künstlerischer Autonomie näher zu rücken. Nach Zores mit seinem Label Warner, dem Prince im Jahr 1996, stellvertretend für die Konventionen des Musik-Business, den Rücken kehrte, vertrieb der einstige Pop-Superstar auch künstlerisch eigenwillige Alben über diverse dafür ins Leben gerufene Homepages – lange, bevor Radiohead & Co Ähnliches taten.
Für "20Ten" griff der als Workaholic bekannte Sänger und Gitarrist nun aber auf einen besonderen Coup zurück. Wie bereits das 2007 veröffentlichte "Planet Earth" liegt auch das neue Album diversen Zeitungen und Magazinen bei. Der Deal geht so: Prince schließt einen Vertrag mit dem jeweiligen Medium ab – und dieses erhält Exklusiv-Interviews mit dem ansonsten schweigsamen Star. Dafür wiederum fallen die Kritiken auffallend positiv aus. Während der "Daily Mirror" "20Ten" als Klassikern wie "Purple Rain" und "1999" ebenbürtig bezeichnete, nannte es der deutsche "Rolling Stone" als "sein bestes, konsequentestes Album seit der Love-Symbol-Platte" – Musikjournalismus 2010.
Sexy Soul & Kinderkoks
Die solchermaßen hohen Erwartungen werden aber enttäuscht. Dass Prince mit dem Eröffnungsstück "Compassion" über die Beigabe von Trash- und Grindsounds erheblich nervt, mag gerade noch durchgehen: Schließlich funktioniert diese für Prince typische Kakofonie des Verpönten auch live – man soll sich von Kleinigkeiten nicht beeindrucken lassen. Sein Name ist Prince, und er ist funky!
Allerdings geht hier auch das Songwriting ins Leere; das mit käsigen R’n’B-Sounds in Richtung Blitzhütte schielende "Beginning Endlessly" kommt ebenso wenig auf Touren. Spaß macht das Album am ehesten im Mittelteil. Prince sehnt sich zum funky Pop von "Lavaux" nach einer Sommerfrische inmitten der Schweizer Weinhügel und hantelt sich zum beseelt groovenden "Act Of God" thematisch von der Wirtschaftskrise hin zum Irakkrieg. Im Fach der sexy Soul-Ballade überzeugt Prince mit "Walk In Sand", aber auch schwächere Songs wie "Sea Of Everything", "Sticky Like Glue" oder "Future Soul Song" sollten bei keinem Schäferstündchen negativ auffallen.
Wie sehr der Mann allerdings zwischen Genie und Wahnsinn pendelt, unterstreicht mit "Everybody Loves Me" ein flotter Abzählreim, der klingt, als würde ihn Ronald McDonald im Kinderkoks-Wahnsinn zum Besten geben. "If you’re the king of hate or if you’re the queen of misery: Tonight I love everybody and everybody loves me!" Allein: Während dieser drei Minuten will man keinesfalls in den Chor einstimmen.
(Wiener Zeitung, 24./25.7.2010)
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