Die US-amerikanische Ausnahmeband Wilco gastierte in Wien
Als Wilco im Jahr 1995 mit "A.M." debütierten, wandelte die Band noch auf den Spuren ihrer Vorgängerformation Uncle Tupelo. Diese stand für gut geerdeten Alternative-Country, den Jeff Tweedy als Mastermind Wilcos später erweitern bis ganz hinter sich lassen sollte. Schon auf ihrem zweiten Album bemühten sich Wilco um glattere, in Richtung Pop schielende Arrangements, später wiederum wurde es experimenteller. Das Album "Yankee Hotel Foxtrot", mit dem der aus Chicago stammenden Band der Durchbruch gelang, musste Tweedy seiner Plattenfirma sogar abkaufen, weil diese es als unverkaufbar einstufte. Auf "A Ghost Is Born" schließlich setzte es Krautrock-Referenzen und psychedelische Einschübe.
Damit eroberte die Band eine treue Fangemeinde, die sich im Gasometer so beschreiben ließ: männlich, Biertrinker, jenseits der vierzig, gerne etwas sentimental. In launigen Zwischenansagen begrüßte Tweedy eine Gruppe US-Fans, die gegenwärtig bei jedem Europatermin zugegen ist. Die heftigen Liebesbekundungen der heimischen Fans hätte er bei seinem ersten Wien-Gastspiel aber offenbar so nicht erwartet.
Tatsächlich: Wilco-Fans sind Kenner und Wertschätzer. Wie sonst nur bei Konzerten von Bob Dylan wird hier mit Applaus bewiesen, dass man jeden Song schon am ersten Ton erkennt: Liebhabermusik mit persönlicher Bindung.
Wilco eröffneten den gut zweistündigen Abend mit "Wilco (The Song)", der den einst von Angstzuständen gebeutelten Tweedy von seiner gewitzten Seite präsentierte und ihn das Publikum mit einem herzlichen "Wilco loves you!" umwerben ließ. Als früher Höhepunkt erwies sich "Bull Black Nova", bei dem sich die zu sechst angereiste Band bereits warm gespielt hatte.
Mit einem Fuhrpark an Gitarren und gelegentlich auch etwas zu eitel zur Schau gestellter Solierkunst führte die Band durch den enormen Facettenreichtum ihres Schaffens. Von gut Abgehangenem wie "Jesus etc." als Singalong bis hin zu der Woody-Guthrie-Vertonung "California Stars". Wilco sind ebenso einfach gestrickt wie komplex verästelt, knapp gebündelt wie weit ausufernd, verhalten still wie laut aufschreiend. Bisweilen wurde diese Bandbreite auch innerhalb nur eines Songs bewiesen, wie etwa bei "Via Chicago", dessen grundsätzliche Zurückgenommenheit von störrischen Lärmwänden durchbrochen wurde.
Das bestärkte die Annahme: "Wilco loves you!" – das gilt auch umgekehrt. Chapeau!
(Wiener Zeitung, 25./26.9.2010)
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