Dienstag, September 21, 2010

Lustvolle Melancholie

Der Berliner Songwriter Norman Palm gastierte im Gürtel-Club Chelsea.

Auf seinem Debütalbum präsentierte sich Norman Palm noch als Singer/Songwriter: Durch verhuscht angeschlagene und um die Lagerfeuerklampfe herum schlank instrumentierte Lo-Fi-Songs schimmerte ein lustvoller Melancholiker, der von den Umständen da draußen zwar auch nicht begeistert sein mochte. Allerdings galt ihm das Resignieren als zumindest verpönt. Selbsttröstungsmotto: "The world, it cannot break me!"

Dazu kam bei Norman Palm die Gewissheit, im Grunde privilegiert zu leiden. Schließlich betrachtet der Mann vom Prenzlauer Berg den Zustand einer gewissen Ortlosigkeit im Leben nicht aus der Sicht eines Asylwerbers. Von hier nach dort und nirgendwo geht es bei ihm über das Flugmeilenmaximierungsmittel einer Fernbeziehung nach Mexico City. Dieser Umstand inspirierte vor allem das heuer erschienene Album "Shore To Shore", das für Palm Veränderungen markierte.

Rhythmisches Kniewippen

Während sein Debüt mit "Songs" vor zwei Jahren als opulent bebilderte Abschlussarbeit des Kommunikationsdesigners Palm für die Kunsthochschule im Eigenverlag veröffentlicht wurde, hat der Musiker im City-Slang-Label nun seine Heimat gefunden. Musikalisch bedeutet die Arbeit eine Wandlung von potenziellen Soundtracks für den US-Indiefilm unseres Vertrauens hin zu einer Verheißung namens Pop. Der tönt nun zumindest über weite Strecken als von Folk-Einsprengseln und Laptop-Elektronik behübschtes Paradebeispiel von Dringlichkeit, die es nicht nötig hat, hinaus in die Welt zu plärren. Im Zweifelsfall zieht es Palm vor, unscheinbar zu bleiben.

Im gut gefüllten Wiener Chelsea entfalteten die Songs in neu arrangierten Versionen nun ihre volle Wirkung. Vor allem einer von Palms beiden Begleitmusikern leistete dafür Schwerarbeit. Er bediente die Basstrommel und Steel Drums, sorgte für soulige Wärme am Fender Rhodes und verlieh dem Abend an zahlreichen Synthesizern eine angenehme New-Wave-Lastigkeit. Der verspielte Umgang mit Live-Elektronik ließ nicht zuletzt bei einer Coverversion des Cornershop-Klassikers "Brimful Of Asha" an eine weniger närrische Variante von Hot Chip denken. Dazu lud die Groove-Zentriertheit von Stücken wie "Easy" und "$20" zu rhythmischem Kniewippen.

Als belangloser erwies sich das perkussive "Phantom Lover", etwas langweilig geriet "Wdyd?". Der Rest war stringent geschriebener und druckvoll gegebener Gitarrenpop ("Sleeper"). Man wird den Mann weiter beobachten müssen.

(Wiener Zeitung, 22.9.2010)

Keine Kommentare: