Der niederländische Starfotograf Anton Corbijn legt mit "The American" seinen zweiten Spielfilm vor. Der Regisseur im Gespräch.
Als Anton Corbijn spätestens Ende der 1970er Jahre zu einer Karriere ansetzte, die ihm bald den Ehrentitel "Starfotograf" einbringen sollte, war die Welt noch eine andere. Vor allem in der Popmusik herrschte Aufbruchsstimmung. Immerhin ist das zu dieser Zeit mit Bands wie Gang Of Four oder Joy Division entstandene, ästhetisch mindestens dunkelgraue und dabei zu markanten Bässen, kalt klirrenden E-Gitarren und zackigem Schlagzeug nichtsdestotrotz tanzbare Genre des Post-Punk bis heute nicht umzubringen. Im Gegenteil: Jede neue Generation von zornigen Musikern, die der Welt etwas entgegenzuhalten hat, muss sich zumindest ein Album lang darauf beziehen.
In einer Zeit, in der kreative Karrierewege zu auch finanziell lukrativen Bedingungen noch möglich waren, zog es den 1955 in der niederländischen Provinz als Sohn eines evangelischen Pastors geborenen Jungfotografen Anton Corbijn also nach London. Zielsetzung: Ohne merkbare Englischkenntnisse, dafür aber mit einer die Welt verheißenden Kamera im Gepäck sollten persönliche Helden wie eben Joy Division um Sänger Ian Curtis aufgespürt und abgelichtet werden.
Nicht einmal einen Monat nach seinem Umzug war zwar ein Treffen fixiert. Wie sich Corbijn auf der ihm zu Ehren veröffentlichten DVD "The work of the director Anton Corbijn" (EMI) im Jahr 2005 aber erinnert: "Als ich Joy Division getroffen habe, wollte ich ihnen die Hand schütteln – und sie haben verweigert." Das änderte sich nach getaner Arbeit. Corbijn etablierte sich in Folge als Porträtfotograf, dem auch der Sprung vom Magazincover in die Kunstgalerie gelingen sollte. Er wurde zum Regisseur von Musikvideos für U2 und Nirvana und gestaltete Plattencover ebenso wie Konzertbühnen. Dave Gahan, Sänger der britischen Pop-Institution Depeche Mode, attestierte Corbijn sogar, der Band jene visuelle Identität verliehen zu haben, um die sie lange gerungen hat.
Vor drei Jahren schließlich gab Corbijn mit dem in schwarzweiß gehaltenen Biopic "Control" sein Debüt als Filmregisseur. Darin porträtierte er Ian Curtis bis hin zu dessen Selbstmord im Alter von nur 23 Jahren. Anton Corbijn zur "Wiener Zeitung": "Als ich es zum ersten Mal gewagt habe, einen Film zu machen – und ich war damals sehr nervös deshalb –, konnte das nur mit einem Thema passieren, das mir persönlich sehr nahe war. Mit diesem Projekt habe ich viel Wissen über das Filmemachen erlangt. Und das Selbstbewusstsein, mit einem zweiten Film etwas ganz anderes zu versuchen."
In "The American", einem auf dem Roman "A Very Private Gentleman" des britischen Autors Martin Booth basierenden Thriller, erzählt Corbijn nun die Geschichte des Auftragskillers Jack – bravourös gespielt von George Clooney –, der sich in der Abgeschiedenheit eines italienischen Bergdorfes auf seinen letzten Einsatz vorbereitet. Allerdings droht Jack aufgrund zweier sehr unterschiedlicher Bekanntschaften seine Tarnung zu verlieren. In ästhetischen und quasi-fotografischen Bildern erweist sich der von Corbijns Langzeitfreund Herbert Grönemeyer klanguntermalte Film als für sein Genre auffallend still.
Moralische Grundfrage, christliche Bezüge
Corbijn: "Das untermauert die Einsamkeit. Alles im Film ist reduziert auf das Wesentliche. Aber da ist stets diese Spannung. Die Gefahr lauert überall. Im Prinzip erzähle ich die Geschichte als Suspense-Thriller mit der Struktur eines Westerns. Dazu ist die Grundfrage eine sehr moralische: Inwiefern kann sich jemand verändern?"
Gut und Böse. Sünde. Versuchung. Religiöse Motive sind keine Seltenheit in der Arbeit Corbijns. Auch "The American" schöpft diesbezüglich aus dem Vollen. "Die Idee von Moral ist aufgrund meiner religiösen Erziehung gewiss in all meiner Arbeit zu finden. Es ist auch zu schwierig, das zu bekämpfen. Schon in meinen frühen Fotografien stellte sich eine beinahe christliche, einfühlsame Art der Betrachtung ein. Ich habe lange Zeit versucht, etwas dagegen zu machen, mich bemüht, den Fotos diese Tiefe zu nehmen, aber es war mir nicht möglich."
Nach dem Independentfilm "Control" ist "The American" eine Hollywood-Produktion geworden, die der Regisseur dennoch dem Arthouse-Gedanken zuordnet. Corbijn: "Für ‚Control‘ habe ich mein Haus aufgegeben, ich habe dafür mein Privatgeld investiert. So etwas kann man sich nicht oft leisten." "The American" eroberte die US-Kinocharts nun auf Anhieb. "Damit habe ich nicht gerechnet, denn das ist ein sehr dunkler, sehr europäischer Film. Gewiss sorgt George Clooney für größere Breitenwirkung, aber seine Arthouse-Filme mit Steven Soderbergh waren überhaupt nicht erfolgreich."
Warum genau fiel die Wahl auf George Clooney? "Wenn Sie den Film gesehen haben, dann ist das ganz eindeutig: Er ist einfach verdammt gut! Und er ist ein intelligenter Schauspieler, der mit sehr wenigen Worten sehr viel sagen kann." Als Dolmetscher in den Abruzzen war der zeitweise am Comer See wohnhafte Mime allerdings nicht zu gebrauchen. "Er spricht kaum Italienisch. Die Italiener lieben ihn trotzdem. Er kann sehr gut mit den Menschen."
Ab 16. September im Kino
(Wiener Zeitung, 15.9.2010)
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