Das Grazer Elevate-Festival startet heute in seine sechste Saison. Schwerpunkt: Zivilgesellschaftliche Initiativen und soziale Bewegungen.
Als Festivalstadt hat sich Graz längst einen Namen gemacht. Auch auf dem Feld der elektronischen Musik muss man der Mur-Metropole zugestehen, dass sie die Bundeshauptstadt recht alt aussehen lässt. In Wien mag es nach dem Krieg zwar einmal das Phonotaktik-Festival gegeben haben, das sich um die Auslotung einer wie auch immer gearteten Pop-Avantgarde kümmerte. Heute spielt die diesbezügliche Musi aber vor allem auf dem Donaufestival in Downtown Krems. Und eben in Graz, wo jährlich zum Frühlingserwachen das spring-Festival die Stadt beben lässt. Zwischen Discodancing und einer Leistungsschau elektronischer Musiken ist dabei alles zu haben.
Das heute, Donnerstag, in seine sechste Saison startende Elevate wiederum erweitert diesen Ansatz entscheidend. Neben einer Musikleiste, die sich zwischen den Polen Konzert und DJ-Line bevorzugt den Randbereichen unterhaltungselektronischer Pop-Spielarten widmet, geht es dem Festival auch um die Diskurse zur Zeit.
Veränderung ermöglichen
An unterschiedlichen Locations zwischen Stadtmuseum, Dom im Berg, Uhrturmkasematte oder dem Forum Stadtpark arbeitet sich das Festival auch heuer mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Workshops und Filmprogramm an einem Großthema ab. Es geht um die, wie es im Programmheft heißt, "gesellschaftspolitische Rolle von fortschrittlichen zivilgesellschaftlichen Initiativen und sozialen Bewegungen". Diesbezüglich "soll Bewusstsein und Motivation für persönliches und kollektives Engagement geschaffen werden". Das Elevate will Bewegungen und Initiativen sichtbar machen und führt dabei von Gewissensbildung und Gewahrmachung hin zur Mobilisierung. Oder wie es auch die Baumarkt-Werbung besagt: Es gibt immer was zu tun!
Entlang der im Mission Statement eingeführten Argumentationslinie, eine fundamentale, sozial-ökologische Krise würde sich zunehmend verschärfen, setzt das Festival am Freitag, Samstag und Montag die Themenschwerpunkte "Change!", "Mobilize!" und "Communicate!". Während der Eröffnungsabend etwa mit Mike Bonanno von den US-Kommunikationsguerilleros The Yes Men lockt, geht es im Weiteren um mannigfaltige Themen wie gesellschaftspolitische Mobilisierung und kreativen Protest – auch im Web 2.0 – sowie die Funktion klassischer und neuer Medien in der Verhandlung zivilgesellschaftlicher Anliegen.
Dazu stellt "Hörgerede 10" als Festival im Festival den Literaturteil, der, hin zur Klangkunst verwischt, vorwiegend im Grenzbereich zwischen Sprachklang, Text und Geräusch angesiedelt ist. Außerdem wird das ElevateLab in Workshops Wissen hinsichtlich Musikproduktion, Online-Radio und Visual Art vermitteln.
Das reichhaltige Musikprogramm bringt neben alten Bekannten wie den japanischen Noise-Terroristen Merzbow oder Didi Bruckmayr (Fuckhead, Wipeout) jede Menge noch zu Entdeckendes: das britische Dubstep-Erweiterungs-Duo Mount Kimbie zum Beispiel oder Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never, der auf Peter Rehbergs Editions Mego vor allem ambientaffin dröhnende Synthie-Sounds zaubert.
(Wiener Zeitung, 21.10.2010)
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