Nebulöse Brückenschläge: Der dänische DJ und Produzent Trentemøller bespielte die Gasometer-Halle.
Man muss die Karriere von Anders Trentemøller als durchaus erstaunlich bezeichnen. Schließlich galt der 1974 in Dänemark geborene DJ und Produzent bereits nach wenigen Jahren im Geschäft als großer Name.
Nach Anfängen mit einzeln für die Dancefloors gebastelten Tracks wurde der Musiker bald unter die Fittiche des Hamburger Labels Poker Flat genommen. Unter Beibehaltung aller kreativen Freiheiten bastelte Trentemøller dort an seinem Debütalbum, das vom Minimal-Techno her kommende Klangvorstellungen in Richtung Grenzlandforschung trieb, um über Ausflüge in die Gefilde von Dub und Ambient oder die Einbindung organischer Elemente nicht mehr länger zum Tanz zu laden. "The Last Resort" erwies sich mit unterschwelligem Knistern, Surren und Blubbern als Soundtrack zum Sitzbier. Elektronische Musik zur Zeit, Königsdisziplin: wärmende, soulfreie Seelenmusik.
Es folgten Remixaufträge für Franz Ferdinand oder Depeche Mode sowie überbezahlte DJ-Sets zwischen London, Paris und New York, von denen sich Trentemøller nicht weiter beeindrucken ließ. Er arbeitete an seinem Zweitlingswerk, das die Kampfzone erweiterte und Trentemøllers Stammkundschaft vor allem mit seiner Hinwendung zum Song nachhaltig verwirrte. "Into The Great Wide Yonder" soll als Suche nach neuen Ausdrucksformen respektiert werden. Live erwies sich Trentemøllers Standortbestimmung als zwischen den Polen "überall" und "nirgendwo" aber erstaunlich orientierungslos.
Im mäßig gefüllten Gasometer gelang dem Dänen mit vierköpfiger Band zunächst eine vielversprechende Adaptierung seines Sounds zwischen Kiffer-Psychedelik, knackigen Live-Drums und schneidender Hallgitarre als wie für David Lynch maßgeschneiderte, nebulös-düstere Soundtrackangebote. Im satten Bühnennebel schien die Zeit starrer Laptopkonzerte vorbei, ein adäquates Live-Konzept gefunden.
Allerdings nahm Trentemøller, als DJ um sich stromlinienförmig aufzäumende Sets bemüht, dem Konzert mit dramaturgischen Brüchen den Wind aus den Segeln. Von um TripHop Bescheid wissenden Songs wie "... Even Though You’re With Another Girl" oder dem bei Kate Bush andockenden "Tide" ist es bis zum Pulp-Fiction-Gedächtnis-Gepolter nur zwei Ambient-Exkursionen weit. Die tanzfreudige Soirée kam mit einem zünftigen Electro-Teil erst gegen Ende auf ihre Kosten. Als Zugabe entführte Trentemøller seinen Übertrack "Moan" mit Mundharmonikasolo von den US-Südstaaten letztlich noch zur Full-Moon-Party nach Kho-Phangan. Trentemøller, alter Däne! Und was für ein Schlawiner!
(Wiener Zeitung, 14.10.2010)
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