Twin Shadow, demnächst am Badeschiff.
Spätestens die Kombination aus einem gut im Saft stehenden Oberlippenbart und zu eng geschnittenen Oberteilen vom auf Second-Hand machenden Nachwuchsdesigner am Eck lässt dann doch keinen Zweifel mehr: Der Mann, der sich hinter dem Alias Twin Shadow verbirgt, ist in einem der Hipster-Viertel New Yorks wahlheimisch: No sleep till Brooklyn!
Und er hat eine Mission zu erfüllen, die sich nicht auf die Rolle als lässiger Kleiderständer beschränken lässt. Wie sein die Hype-Alarmisten der globalen Blogosphäre mindestens in Aufruhr versetzendes Album "Forget" als Geheimtipp des Vorjahres dokumentierte, klingt der Mann tatsächlich so, wie es all das vermuten lässt: ambitioniert und ambitioniert stilvoll.
Wehmut und Funk
Der als George Lewis Jr. in der Dominikanischen Republik geborene und in einem Vorort von Florida aufgewachsene Musiker, der sich seine Sporen vor seiner Zeit als Einmann-Unternehmen mit Kompositionen für ein Tanzensemble ebenso verdient haben soll wie als Sänger einer Punk-Band, mag dabei an die Tradition des Bedroom-Recordings anknüpfen. Während diese aber bevorzugt in reduziertes Lo-Fi-Gesummse mündet, legt es Twin Shadow bewusst detailverliebt und genau an. Nicht umsonst griff der Mann in Sachen Produktionsarbeit auf die Unterstützung Chris Taylors zurück, den man besser als Bassist der nicht wenig prätentiösen Chorgesangs-Ästheten Grizzly Bear ("Veckatimest") kennt.
In Verbindung gebracht wurden die Ergebnisse alsbald mit dem Sound des Mikrotrends Chillwave ("Wer erinnert sich?" ist das neue "Wir erinnern uns!"). Aber egal. Zu konsequent digitalen Drumsounds und Synthesizern, die vor allem nervös flirrend erschallen, croont sich Lewis Jr. beherzt durch seine Lieder, die in ihrem Hang zu bitterem Zucker Sehnsucht und Wehmut beschwören. Ein Gestus, der dem Sänger nicht zuletzt Vergleiche mit dem großen, alten Morrissey einbrachte. Ästhetisch hält Twin Shadow allerdings den Einfluss von 80er-Jahre-Synthiepop hoch, den er um reichlich Funk ausbaut. Im Hinterstübchen knistert dazu bisweilen soulige Wärme.
Dass dieser Mischung trotzdem keine Patina anhaftet, liegt an der geschickten Umrahmung retroider Elemente mit zeitgenössischen Mitteln. Zwischendurch erinnert das Debütalbum jedenfalls an unsere New Yorker Freunde von TV On The Radio (wie etwa bei „Castles In The Snow“), während das markante Schlagzeug-Sample aus "She’s Lost Control" von Joy Division eine weitere Inspirationsquelle des Musikers offenlegt. Das ist ebenso elegant wie durchwegs überzeugend. Live am Samstag, 12. Februar, auf dem Wiener Badeschiff.
(Wiener Zeitung, 2.2.2011)
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