Über die Wandlungen der norwegischen Sängerin Lykke Li, hörbar auf ihrem auf zweiten Album, "Wounded Rhymes".
Von welchen Parametern es abhängt, dass eine Karriere aufgeht wie der sprichwörtliche Stern am Himmel, gehört zu den ewigen Mysterien des sogenannten Showgeschäfts. Weil sich mittelmäßige Alben bisweilen weit über Gebühr verkaufen, während funkelnde Kleinode im Kellergewölbe des Absatzmarktes gefangen bleiben, wird zur Erklärung nicht selten eine alte Entertainment-Weisheit herangezogen: Ganz abgesehen von der Güte des Produkts müsse man vor allem zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Punkt.
Wobei wir schon bei Lykke Li angelangt wären. Die 1986 als Lykke Li Timotej Zachrisson in Stockholm geborene Songwriterin wurde für ihr Debütalbum "Youth Novels" vor drei Jahren zwar mit Vorschusslorbeeren bedacht, der Durchbruch sollte der Sängerin dann aber nicht so recht gelingen. Eine erträumte Weltkarriere zwischen London, Paris, New York, der daraus resultierende, nach oben hin offene Kontostand und eine ihr zu Füßen liegende Männerschaft fand ihre reale Entsprechung in grundsätzlichem Wohlwollen und Konzerten in Hallen von überschaubarer Größe.
Dabei hätte die Schwedin zumindest den Rang einer Regina Spektor einnehmen können, sollen, müssen. In der im männerdominierten Popgeschäft schwierigen Rolle des naiv kieksenden, niedlichen Mädchens gefiel Li mit vielseitigem Indie-Pop, der, grundiert in amerikanischen Klangwelten, zwischen Klavier, Handclaps und Chorgesängen auch Anleihen bei Soul und Gospel nahm. Diesen Sound überführte Li als weißer Schwan in grundsätzlich fröhlich stimmende, leichtfüßige, dabei aber nie oberflächliche Songs, für die sie ihren Melodienreichtum großzügig ausschüttete: Klotzen, nicht kleckern lautete das Motto.
Nach ihrem Beitrag zum Soundtrack von Chris Weitz’ Blutsauger-Romanze "New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde" ist auf "Wounded Rhymes", dem nun vorliegenden Zweitling, aber schon wieder alles anders. Wie bereits ein vorab veröffentlichter, wild böllernder Remix der Single "Get Some" durch den scientologisch verwirrten, aber künstlerisch großen Beck nahelegte, hat Lykke Li ihre Unschuld verloren. Man kann es auch nachlesen, dass die Sängerin langsam, aber sicher den schwarzen Schwan in sich entdeckt: "Don’t pull your pants before I go down / Don’t turn away this is my time / Like a shotgun needs an outcome / I’m your prostitute, you gon’ get some!"
Musikalisch klingt das auch über die Beigabe satter Twang-Gitarren nach einem motorisierten Ritt über die Route 66 und nach Tankstopps, bei denen nicht nur reichlich Benzin in gierige Tanks, sondern auch Whiskey in durstige Kehlen fließt. Lis Gesang klingt nicht mehr schüchtern, sondern lässt an Amy Winehouse denken. Neben esoterischen Anklängen flirtet die Schwedin außerdem mit Pathos und Kitsch ("Love Out Of Lust"), souligem Mainstream-Pop ("Sadness Is A Blessing") und dem Hinterland-Folk der Fleet Foxes ("Unrequited Love").
Man darf gespannt sein, wie sich diese Veränderungen auf Lykke Lis weiterem Karriereweg auswirken werden. Lykke Li: Wounded Rhymes (Warner)
(Wiener Zeitung, 19./20.3.2011)
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