Montag, April 25, 2011

Synergie oder Sellout?

Ökonomie und Aufmerksamkeit: Fremdwerbung und Eigen-PR im „Popbusiness“.

Aktuell hat es Peter Kruder erwischt. Die eine Hälfte des Wiener DJ-Duos Kruder und Dorfmeister, das Österreich ab Mitte der 90er-Jahre in der Popwelt wieder bedeutsam machte, wirbt für einen Mobilfunkkonzern. Vor einem DJ-Job in Barcelona entleert Kruder ein Glas Wasser über seinen Laptop und verliert dadurch sein Musikarchiv. Dank der Erfindung von Cloud Computing und eines Online-Speichers des Mobilfunkers ist nach zweiminütiger Downloaddauer aber wieder alles in Ordnung. „Ist dann noch eine richtig fette Party geworden.“

Die Frage bleibt: Wirbt das Unternehmen damit auch für Peter Kruder? Oder wird dem Künstler im diesbezüglich zumindest einst so feinfühligen Popzirkus der kommerzielle Sellout vorgeworfen?

So weit wie der DJ wagen sich nämlich relativ wenige Künstler vor. Die heimische Elektropop-Band Bunny Lake etwa gestaltete das Musikvideo zu ihrer Single „Army Of Lovers“ als Dauerwerbesendung für einen fahrbaren Untersatz – eine abgestimmte, um Synergie bemühte Aktion von Plattenlabel und Autohersteller. Noch vor zehn Jahren hätte bereits deutlich weniger für Diskussionen gesorgt. Schon die Verwendung einzelner Songs in Werbespots galt zumindest als fragwürdig. Schließlich ist Pop, der etwas auf sich hält, schon immer Distinktionsmaschine und Identifikationsangebot. Oder wie es Nick Cave formulierte: „Keine Fan-Enttäuschung kann größer sein, als das Lied, zu dem man sich verliebt oder geheiratet hat, plötzlich in einer Waschmittelwerbung zu hören.“

Während früher auch alte Hits teuer für Werbezwecke lizensiert wurden, setzte der Bekleidungsriese Levi’s in den 90er-Jahren auf ein gewinnbringenderes Konzept: Markante Songs weitestgehend unbekannter Künstler verknüpften Musik und Produkt, die Bands selbst stürmten die Charts, wobei es zumeist beim Einmalerfolg blieb. Die Entdeckung sogenannter Independent-Artists als Klanguntermaler wiederum funktionierte unter den Vorzeichen des Imagetransfers. Für die Künstler selbst ist der Druck, Angebote anzunehmen, durch sinkende Einnahmen aus dem Tonträgerverkauf größer geworden. Neben Live-Konzerten und Merchandising-Artikeln als wichtiger Einnahmequelle bringt auch Werbung nicht nur gutes Geld. In Zeiten des musikalischen Überangebots und der massiven Eigen-PR, die Künstler sämtliche Kanäle von der eigenen Homepage über Myspace bis hin zu Facebook und Twitter ausschöpfen lässt, ist es bekanntlich schwierig geworden, noch groß aufzufallen.

Die widerrechtliche Verwendung einzelner Songs sorgte indes für konkreten Mehrwert: Ein Streit zwischen Owen Pallett und den Wiener Stadtwerken etwa endete 2008 nicht mit einem Prozess, sondern in der Austragung eines Musikfestivals in London, Berlin und Wien, das junge Bands förderte und das Publikum erfreute.

Die Ausnhame bestätigt die Regel: „I’m not down here for your money. I’m down here for your soul.“ Das vampirgleiche Gebaren der Werbung ist erneut mit einem Zitat von Nick Cave gut beschrieben.

(Wiener Zeitung, 26.4.2011)

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