Donnerstag, Juli 14, 2011

Das Herz auf der Zunge

Die US-amerikanische Songwriterin Joan Wasser alias Joan as Police Woman im WUK.

Das lyrische Ich gehört bei Joan as Police Woman einer mitunter anstrengenden Frau. „It's true what they say about me. That I'm out of my mind but I think that you like it” gestand die in New York lebende Songwriterin, 1970 im US-Bundesstaat Maine als Joan Wasser geboren, schon 2006 auf ihrem Debütalbum „Real Life”. Im Wiener WUK machte sie ihren potenziellen Liebhabern gleichfalls wenig Hoffnung: „Ready yourself! I don't come with a manual. No, I lost it long ago.”

Ihre entspannte Bühnenerscheinung hätte nicht kontrastreicher ausfallen können. Obwohl sich Wasser geriert, mit dem Herz auf der Zunge durchaus autobiografisch zu texten, blieb sie bei ihrem Wiengastspiel am Mittwoch die unkomplizierte Seelentrösterin, für die es kein Handbuch braucht. Trotz einer auf Saunatemperatur aufgeheizten Konzerthalle gut gelaunt, pflegte die 40-Jährige nach Dienstschluss im Foyer noch den Kontakt mit den Fans.

Wasser, die in ihrem Œuvre weißes Songwriting mit schwarzem Soul verbindet, blickt auf eine abwechslungsreiche Laufbahn zurück. Die klassisch geschulte Geigerin mit Orchestererfahrung arbeitete zunächst als Studio- und Livemusikerin für so unterschiedliche Künstler wie Lou Reed, Dave Gahan, Rufus Wainwright oder Elton John, ehe sie sich bei Antony and the Johnsons betätigte und schließlich eine Solokarriere begann, die bis heute drei Studioalben zeitigte.

Das letzte davon, „The Deep Field“, Anfang des Jahres veröffentlicht, dominierte das Wien-Konzert. Flankiert von ihren Kollegen an Keyboards und Schlagzeug, die auch den Backgroundgesang beisteuerten, eröffnete Wasser mit „The Action Man“ und „The Magic“, denen sie live mit viel Emphase Mehrwert abgewann. Mit ihrer nur als begnadet zu bezeichnenden Stimme ließ Wasser keinen Zweifel daran, dass sie ihre Lieder nicht bloß einspielt und aufführt. Die Frau lebt ihre Songs. Bei „Chemmie“, einem erotisierten Stück über den Sexualdrang als treibende Kraft, wechselte sie von den Tasten an die Stromgitarre, mit der sie im Anschluss eine neue Version von „Hard White Wall“ zu einem Höhepunkt werden ließ.

Prog-Soul und Akkordzerlegung


Dass Joan as Police Woman heute zu etwas neigt, das sich am Besten als Prog-Soul beschreiben ließe, wurde mit Stücken wie „Nervous” oder dem gegen Ende hin ausbrechenden „I Was Everyone” deutlich. Dazwischen aber zog sich „Forever And A Year“ mit seinen auf Zeitlupentempo gedrosselten Akkordzerlegungen doch erheblich in die Länge.

Als beste Songs hörte man „Save Me“, dessen Klavierakkorde in ähnlicher Form 2007 auch bei Feists „The Limit To Your Love“ auftauchen sollten, und „Run For Love“, bei dem Wassers singende Bleichgesichter die Tiefe der Originalaufnahme aber nicht erreichen konnten.

Dass die Setlist ausgerechnet um den Übersong „Eternal Flame“ gekürzt wurde – ein Wermutstropfen. Nicht nur hitzebedingt verzieh man es Joan Wasser am Ende aber doch gnädig.

(Wiener Zeitung, 15.7.2011)

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