Justin Bieber, der Junge, der aus dem Kinderzimmer kam, um über Youtube weltberühmt zu werden, ist als Teenie-Schwarm 2.0 ein Held seines Zeitalters.
Es gibt eine Zeit im Leben des jungen Mannes, in der er erkennt, dass Mädchen nicht doof und womöglich die besseren Buben sind. Mädchen stinken nicht und lächeln hinter ihren Zahnspangen gar vielversprechend hervor. Was das alles zu bedeuten hat? Man kann es nicht wissen. Möglicherweise wird die Welt aber bereits nach dem nächsten Treffen im Eissalon (Straciatella-Kaugummi und ein Soda Zitron!) aber nicht mehr die gleiche sein.
In dieser Zeit des Aufbruchs, des Übergangs und der unbedingten Veränderung ist die Erde ein Ort, der verlockend erscheint und darauf wartet, erobert zu werden. Die Dinge sind neu, die Tore stehen offen. Mama, Papa, die Frau Fessa und der blade Berti aus der letzten Reihe sind der vollständigen Zufriedenheit am Ende zwar abträglich. Zum Glück gibt es aber die Spielhalle in Downtown Nowhere City, den Skateboardpark mit seinen lustigen Vögeln und zu Weihnachten vielleicht ja dann doch noch die Wii - Papa, Mama, Kreditkarte, anyone? Sorgen sind relativ und werden nicht mehr im Kinderzimmer gewälzt. Wie die Kulturgeschichte der US-Seifenoper in endlosen Akten belegt, gehen junge Menschen zum Heulen "auf ihr Zimmer", das jetzt - ein gravierender Unterschied! - freilich Jugendzimmer genannt werden will. Das Poster von Quaxi, dem komischen Frosch, kommt zum Altpapier und wird durch ein Plakat von Shakira, der kolumbianischen Tanzbärin, ersetzt. Mutter, wann fällt endlich der Abend ein?
Generell sind Sorgen noch relativ und Partys nicht nur im Zweifelsfall vorzuziehen. Die Stars aus Fernsehen und Youtube sind noch echte und wahre, wirkliche und tatsächliche Superstars und keine Lulus oder gebrochene Trinker, die auf ihren Streifzügen durch die Stadthallen der Welt traurig um Selbstbestätigung ringen. Vor diesem Hintergrund ursüß, superniedlich und der tollste Hecht, der auf Youtube nichts kostet: Justin, oh Justin! Justin Bieber, siebzehn Jahr, blondes Haar - ein Held seiner Zeitrechnung. Ein junger Adonis, wenn man seinen weiblichen Fans Glauben schenkt.
Geboren am 1. März 1994 in Ontario, Kanada, wird der junge Justin bereits mit zwölf Jahren als Star gehandelt. Das hat, man ahnt es schon, mit einer ehrgeizigen Mutter zu tun, die daheim im Wohnzimmer aufgenommene Impressionen ihres Kindes auf Youtube mit der Öffentlichkeit zu teilen beginnt. Die Öffentlichkeit ist erheitert. Ein findiger US-Manager riecht den Braten. Er lockt die Heldenmutter mit Gold, Silber und einem Posten als persönlicher Assistentin ihres Herrn Sohnes - und schon ist es passiert! Weil es den Helden in die weite Welt hinausziehen muss, wo es gilt, Ostrom zu bekämpfen (Attila), den Sirenen zu widerstehen (Odysseus), oder das Magistrat mit seinen eigenen Waffen zu schlagen (Asterix und Obelix), nimmt es Justin Bieber mit der Entertainmentindustrie auf und führt das Publikum der Gerechtigkeit zu. Der Markt bekommt, was der Markt verdient. Dafür bekommen Justins Mutter und der Manager das Geld, Justin superviel Aufmerksamkeit, einen Privatlehrer und ein flottes Treuhandkonto mit megavielen Konditionen!
Der Held jubiliert und frohlockt. Der Manager kauft sich eine weitere Villa. Er muss sich vom Skifahren in Aspen mit Schwimmen in Malibu erholen. Dass die Welt kalt und gefährlich ist, ist zu Justin schon durchgedrungen. Zynische alte Männer klopfen bissige Kommentare in ihre Schreibmaschinen. Justin Bieber wird gecoacht und ist immer sehr freundlich. Neue Helden führen keinen Krieg, sie lächeln das Böse hinfort. Justin bleibt Justin. Ein junger Mann, er selbst und Chuck Norris haben keine Uhr. Sie entscheiden, wie spät es ist.
Einfach zusammener.
Wichtig für die Legendenbildung bleibt der Ursprung im echten Leben, im echten Low-Income-Alltag, der dem durchschnittlichen Scheidungskind in uns immer vor Augen hält, dass es selbst Justin Bieber sein könnte. Ich, du, er, sie, es - wir sind alle Justin Bieber, zumindest im Geiste. Der amerikanische Traum schläft nicht. So schnell kannst du gar nicht schauen, und schon sitzt R-’n-B-Krösus Usher bei dir im Wohnzimmer, schnappt sich deine Wii und blockiert den ganzen Nachmittag über die Glotze.
Wer nicht selbst Justin Bieber wird, darf Justin Bieber zumindest sehr nahe sein. Justin Bieber liebt uns so sehr, dass Michael Jackson im Grabe rotiert. Und er bekennt seine Liebe zu uns, seinen zehn Millionen Followern, über Twitter quasi im direkten Zwiegespräch. Mit Twitter und Facebook, da sind wir alle irgendwie ... zusammener. Freund Justin bringt nicht nur die Mädchen, sondern vor allem auch die Content-Maschinen ins Schwitzen. So viele Bits, so viele Bytes!
Dass der Held aber tief fallen muss und den Boden zu küssen hat, ehe er vom Publikum als Phönix aus der Asche bejubelt werden und als überlebensgroß in die Geschichte eingehen kann, ist in diesem Fall der entscheidende Punkt. Justin Bieber ist nicht, wie einst Ikarus, der Sonne so nahe, um vom Himmel zu fallen. Er selbst ist die Sonne. Die Sonne brennt niemals aus. Um es mit Neil Young zu sagen: She fades away. My my, hey hey.
(Wiener Journal / Nr. 26 / 1.7.2011)
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