"Neuer Anfang", wohl vertraut: Die Red Hot Chili Peppers und "I’m With You"
Die Vorzeichen für dieses Album standen nicht nur deshalb nicht zum Besten, weil Anthony Kiedis beschloss, sich erstmals als Mann seines Alters zu präsentieren – in der Zwischenzeit ist der Vorstand der Red Hot Chili Peppers immerhin 48 Jahre alt geworden –, und dafür ausgerechnet auf den gemeinen Schnauzbart zurückgriff. Noch vor wenigen Jahren sprang der Sänger in einem Outfit über die Bühne, das der durchschnittliche Gymnasiast vermutlich als zu pubertär abgetan hätte.
Vor allem die Nachricht vom Ausstieg ihres Gitarristen John Frusciante ließ dann aber doch Bedenken aufkommen, ob die Funk-Rocker aus Los Angeles die Kurve noch einmal kratzen würden. Man erinnert sich: Als Frusciante die Band 1992 erstmals verließ, sackten die Chili Peppers unter Zutun seines Substituts Dave Navarro kreativ erheblich ab. Frusciante ging auf Entzug, kehrte zurück und nahm mit seinen markanten Arrangements massiv Einfluss auf die bis heute besten Arbeiten des Quartetts. Ab „Californication“ (1999) spielten sich die Chili Peppers von den Crossover-Vorgaben frei und übten sich, bei weitestgehender Aussparung einstiger Kernzutaten zwischen Punk-Riffs und Kiedis’ weißen Raps, am klassischen Song.
Spirituellwerdung
In dieser Phase entdeckte die Band, deren Ursprünge im von der kalifornischen Sonne nachweislich begünstigten Happy-Sound liegen, ihre nachdenkliche Seite. Anthony Kiedis wurde spirituell, vegan und zum yoga-betreibendsten Stadionrocker der Welt. Dank 65 Millionen verkaufter Tonträger und der Gewissheit, das daraus geschöpfte Vermögen niemals nicht mit Tofu verbraten zu können, leisteten sich der Sänger und seine Band zuletzt zwar eine Auszeit, aus der Frusciante nun also nicht mehr zurückkam. Das Wissen um ihre stets wachsende Fangemeinde überredete die Chili Peppers dann aber doch, nicht Schluss zu machen, den knapp zwanzig Jahre jüngeren Josh Klinghoffer als Gitarristen zu verpflichten und von einem neuen Anfang (Kiedis) oder, wie Bassist Flea, von einer Wiedergeburt zu sprechen.
Was für ein Zufall, dass die Red Hot Chili Peppers, einer dezenten Soundkur auf ihrem nun vorliegenden zehnten Album „I’m With You“ zum Trotz, ausgerechnet als Red Hot Chili Peppers wiedergeboren wurden. Unter Regie ihres Haus- und Hofproduzenten Rick Rubin funkt(ioniert) dabei soweit alles wie gehabt. Allerdings macht sich der Umstand, dass Flea zuletzt Musikthorie studierte und das Klavierspielen erlernte, mit einem gediegenen Exkurs am Nick-Cave-Piano („Police Station“) und hörbar aus spielfreudigen Jams destillierten Instrumentalpassagen bemerkbar. Ebenfalls nicht unerwähnt sei der erfreuliche Ausflug in Richtung von zackigem Schlagzeug und Tröttrompete befeuerten Afropop, der von einer Äthiopien-Reise Fleas gemeinsam mit Damon Albarns Africa Express inspiriert wurde.
Freud und Leid
Während die zweite Hälfte des Albums erklärt, warum Rick Rubin diesmal gegen die Veröffentlichung eines Doppelalbums intervenierte, geht das die ersten acht Stücke über Freud und Leid unter der Sonne lang gut. Die hübsche, aber auch etwas belanglose Single „The Adventures Of Rain Dance Maggie“ steht dabei neben stets um Ohrwurmcharakter bemühten Songs, die Flea mit Discobässen unterfüttert, und Kompositionen, die kaum komplexer werden als „Brendan’s Death Song“, eine Ballade, die dem verstorbenen Band-Intimus Brendan Mullen gewidmet ist.
Wie das von Damien Hirst Medikamentations-affin gestaltete Cover mit den auch in aktuellen Interviews verbreiteten, esoterischen Meditationsbekenntnissen der Band zusammengeht – egal. Am 7. Dezember beglücken die Red Hot Chili Peppers live in der Wiener Stadthalle. Bereits am kommenden Dienstag wird ihr Köln-Konzert im Cineplexx Reichsbrücke übertragen.
(Wiener Zeitung, 27./28.8.2011)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
die peppers haben nie nach "crossover-vorgaben" gehandelt.
ab der californication kam auch definitiv nicht das beste der vier zum vorschein. die mit abstand beste scheibe "der vier" ist bssm. und selbst danach kommt immernoch erstmal die mothersmilk und freaky styley! und bitte..wie kann man heute schon hillel slovak vergessen!? ab der californication kam erst der riesen-kommerz, den john immer vermeiden wollte und genau deshalb ist er jetzt auch wieder weg..die peppers machen heute noch tolle sachen. und ja, auch i´m with you ist eine sehr gelungene scheibe. (sogar ohne john!) - aber richtig genial waren die peppers nur bis 1991, denn da kannte sie nur ein bestimmter kern.
Kommentar veröffentlichen