„Mama, kennst du das auch: Verstopfung?“ – Wohin genau die Zeiten verschwunden sind, als man sich im Fernsehen noch nicht mit gesamtheitlicher Gesundheit bis hinunter in die Niederung des unbedingt mit probiotischen japanischen Kampfbakterien zu schützenden Verdauungstrakts überbeschäftigte, und stattdessen noch herzhaft geraucht und getrunken wurde, es ist nicht überliefert. Mit dem Aufkommen des österreichweiten Monopolturnprogramms „Fit mach mit“ im Radio wurde aber möglicherweise bereits der Anfang vom Ende einer goldenen Zeitrechnung besiegelt. Diese auch von der US-Serie „Mad Men“ festgehaltene Zeit – wir schreiben die 1960er-Jahre! –, in der im Büro nicht nur hart gearbeitet, sondern mitunter auch schwer getrunken wurde, ist dem Missverständnis von der gesunden Lebensführung mittels quasi fettfreien Joghurts gewichen. Weil ich es mir wert bin!
Wo einst das Recht des Menschen auf seine freiwillige Selbstzerstörung noch nicht als solche wahrgenommen und stattdessen als genussvoller Lebensstil zelebriert wurde – der Whiskey-Pegel in „Dallas“, die Tabakwerbung vor dem Abendfilm –, ist diese unbedingte Errungenschaft der Menschheit nur mehr in der Gestalt idolisierter Irrer anzutreffen, die nach einer Überdosis taurinhaltiger Energydrinks im überregionalen Salzburger Lokalfernsehen Vergnügungen nachghen, die außer ihnen selbst niemand je als Sport bezeichnen würde.
An den Anblick botox - und silikonbehandelter Raubbäuerinnen am eigenen Körper oder als Models getarnter anorektischer Kinder hat sich der Blick längst gewöhnt. Doch wo sind die Menschen, die sich noch altmodisch zugrunde richten?
(Wiener Zeitung, 30.8.2011)
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