Mittwoch, August 17, 2011

Tausend kleine Tode

Heulend und johlend: Die Wild Beasts gaben im Flex ihr erstes Wien-Konzert

„Ich kann allem widerstehen. Nur nicht der Versuchung” – Die Crux bei der Sache mit dem Verlangen, wie sie Oscar Wilde einst formulierte, gilt für sie in besonderem Maße: Bei ihrem ersten Wien-Konzert kündeten die Wild Beasts am Dienstag mit zahlreichen Songs davon, dass der Mensch ein Mensch ist, der tun muss, was er tun muss. Für den Mann als Lumpi auf Balztour muss gelten: „What’s so wrong with just a little fun? We still got the taste dancin’ on our tongues.”

Solchermaßen darauf eingestellt, sich der Gefahr auszusetzen, lässt die 2002 im Nordwesten Englands gegründete Band ihre Protagonisten Hindernisse überwinden („I would lie anywhere with you. Any old bed of nails would do“), damit diese ans Ziel gelangen. Die Königin der Nacht ist eine Diva, die erobert werden will. „We are the boys with new shiny shoes. We’ve seen them all and we’ve chosen you!” – am Ende dieser Reise durch die ewigen Jagdgründe im Diesseits vergessen die Wild Beasts aber nie auf die Ironie. „Jeder Rivale“, so Sänger Hayden Thorpe in „Hooting & Howling“, „der es auf unsere Mädchen abgesehen hat, wird verängstigt am Daumen lutschend und aller Sargträger beraubt zurückgelassen!“

Pulsieren und Pumpen


Sein Konzert im Flex eröffnete der vierköpfige Herrentrupp, live ergänzt um eine Dame am Keyboard, mit „Plaything“ vom aktuellen Album „Smother“, bei dem Thorpe gesanglich nicht von ungefähr ein wenig an Prince erinnerte. „New squeeze, take off your chemise!“ – so explizit wie bei dieser Aufforderung zur Entkleidung wird die Band aber selten. Eher ist ihr Werk vom Glauben an die Sinnlichkeit und einem altmodisch anmutenden – und mit teils altertümlichem Vokabular zum Ausdruck gebrachten – Hang zur Romantik bestimmt. Nach Anfängen mit Cabaret-Anklängen, die Thorpes hysterisches Falsett untermalten, vertont die Band ihre Dramen heute mit zeitlosem Songwriting, das am ehesten Vergleiche mit Prefab Sprout oder den späteren Talk Talk zulässt. Bestimmt von eifrigem Arpeggio-Einsatz an sämtlichen Geräten, pulsierten, pluckerten und pumpten unbedingte Hymnen wie „Loop The Loop“ oder „This Is Our Lot“ auch live höchst erfreulich.

Emphatisch und mit viel Hall auf der Stimme starb Thorpe tausend kleine Tode, erlöst, weil kurz abgelöst für zwei, drei Stück, bei denen Tom Fleming die Lead-Vocals übernahm, der die Songs zusätzlich mit beseelten Klavierakkorden bereicherte. „End Come Too Soon“ war als Abschlusssong programmatisch und entsprach nach gut siebzig Minuten auch der Meinung des begeisterten Publikums. Kommet wieder!

(Wiener Zeitung, 18.8.2011)

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